Ernährungspyramide vor Teilnehmenden des Workshops "Weltbewusste Ernährung"

Bericht Werkstatt-Treffen: Wie geht eine weltbewusste Ernährung?

Eine weltbewusste Ernährung fragt: Wie und was essen wir eigentlich, wenn wir gut für uns selbst, unsere Mitmenschen und die Natur insgesamt sorgen wollen? Dieser Frage gingen wir gemeinsam mit der Referentin Costanza Müller am 6. Juli 2023 in Mannheim nach. Eine Zusammenfassung.

Ohne Frage sind die Ressourcen unseres Planeten endlich. Wir können nicht immer noch mehr und noch mehr verbrauchen, ohne dass dies auf Kosten anderer Menschen, unserer Nachfahren und der Tier- und Pflanzenwelt insgesamt geht. Und doch fällt es uns schwer, unsere Ernährungsgewohnheiten umzustellen. Doch einige Kitas gehen mutig voran. Die Diplom-Ökotrophologin Costanza Müller (www.naehrmehr.de) begleitet viele solcher Kitas. Und sie hatte an diesem Tag jede Menge Tipps und Infos für uns parat.

Spiel: Das Netzwerk einer weltbewussten Ernährung

Zum Einstieg, gleich nach der Vorstellungsrunde, näherten wir uns dem Thema »weltbewusste Ernährung« mit einem Spiel an. Es zeigte eindrücklich, wie global und vernetzt die Produktion unserer Lebensmittel ist. Alle Teilnehmenden standen dazu im Kreis. Die Moderatorin Francisca Gallegos begann mit einem Pfirsich sowie Wollknäuel in der Hand. »Was braucht es alles, damit dieser Pfirsich hier bei uns landen konnte?«, fragte sie in die Runde. Die erste Person, der dazu etwas einfiel, erhielt das Wollknäuel, während Francisca den Anfang des Fadens in der Hand hielt.

So ging es immer weiter, bis jede Person aus dem Kreis ein Element genannt hatte, das zur Produktion und zum Transport des Pfirsichs notwendig war: Erde, Sonne, ein Schiff, Erdöl, ein Lastwagen, ein Supermarkt, ein Verkäufer oder eine Verkäuferin, eine Einkaufstasche … und vieles mehr. Irgendwann war der Wollfaden kreuz und quer zwischen allen Teilnehmenden gespannt. »So vernetzt sieht das aus!«

Dann begann der zweite Teil mit der Frage: »Was geschieht in unserer Welt, das dieses Netzwerk in Gefahr bringt?«. Da kamen zum Beispiel Antworten wie »Die Bienen sterben, sodass die Blüten des Obstbaumes nicht mehr bestäubt werden können«. Oder: »Die Transportwege sind aufgrund einer Pandemie abgeschnitten«. Nach und nach ließen die Personen, die solch einen Faktor genannt hatten, ihren Teil des Fadens los. Das Netzwerk sackte in sich zusammen. »Aha, das geschieht, wenn die Welt aus dem Gleichgewicht gerät«.

Vortrag: Weltbewusste Ernährung – was bedeutet das?

Nach einem kurzen Brainstorming zu der Frage »Was gehört für mich zu einer weltbewussten Ernährung dazu?« begann Costanza Müller mit ihrem sehr inspirierenden Vortrag. Hierbei ging sie zunächst auf die schlimmen Folgen unserer derzeitigen Ernährungsweise ein:

  • Sie bedroht die Biodiversität: Pestizide, Stickstoff und Phosphor, verschmutzte Böden, Gewässer und Luft, abgeholzte Wälder und Monokulturen.
  • Sie bedroht unsere Ernährungssicherheit: Die Fläche an fruchtbarem Ackerland geht weltweit zurück. Geringere Erntemengen und ein höheres Anbaurisiko sorgen unter anderem für Fehlernährungen.
  • Sie trägt zur Klimakrise bei: Extrem-Wettersituationen, Überschwemmungen und Dürren sind nicht nur Folge der intensiven Landwirtschaft, sondern bedrohen auch die Erntesicherheit der Gegenwart und Zukunft.

Mit die schwerwiegendsten Ursachen für diese Missstände sind die Zunahme an tierischem Lebensmittelkonsum, dem Verbrauch hoch kalorischer und stark verarbeiteter Lebensmittel sowie der Tatsache, dass ein Drittel aller Lebensmittel im Müll landen – vor allem über private Haushalte! Das hat wirklich fatale Folgen: Mittlerweile ist jedes vierte Kind übergewichtig. Jeder siebte Mensch stirbt vorzeitig an ernährungsbedingten Krankheiten. Kurz und gut: Wir alle müssen etwas tun!

Wie können Kitas eine weltbewusste Ernährung fördern?

Die aus Costanza Müllers Sicht wichtigsten Schritte bei einer Umstellung einer Kita auf eine weltbewussten Ernährung sind:

  • Was essen wir?
  • Wie wird es angebaut und produziert?
  • Woher kommt es?

Was essen wir? Fest steht schon lange, was wir in unserem Ernährungsplan ändern sollten: Weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse und mehr Hülsenfrüchte ( weitere Infos dazu gibt es auch in unserem Beitrag zur »Planetary Health Diet«). Bekannt ist das. Beliebt nicht unbedingt. Ein Team aus einer Kita im Raum Frankfurt war anwesend, die ihre Verpflegung auf vegetarisch umgestellt hatte – zum Teil gegen massiven Widerstand von Seiten mancher Eltern. Noch immer befürchten diese, ihre Kinder bekämen nicht alle notwendigen Nährstoffe, wenn diese nicht täglich Fleisch und Wurst essen. Ein Irrtum.

Costanza Müller gab hier den Rat, deutlich und klar zu vermitteln, dass niemand aufgrund seiner Ernährungsgewohnheiten verurteilt würde. Weder auf Seiten der Erzieher:innen noch auf der der Eltern. »Sagen Sie einfach ‚So machen wir das in der Kita. Doch was alle außerhalb der Kita essen, bleibt jedem und jeder selbst überlassen‘«, erklärte sie. Diese wertfreie und offene Haltung mache es ihrer Erfahrung nach vielen Menschen leichter, sich auf eine rein vegetarische Versorgung in der Kita einzulassen.

Außerdem kann es ihrer Erfahrung nach hilfreich sein, das Fleischangebot nach und nach zu reduzieren. Zum einen lässt sich die Portion pro Mahlzeit verkleinern – eigentlich sollte ein Kind nicht mehr als 50 Gramm Fleisch bekommen. Das ist gerade mal ein Stück so groß wie ein Kinderhandteller. »Viele Erwachsene verschätzen sich da gewaltig«, weiß Costanza Müller. Zum anderen kann man mit einem Veggie-Tag in der Woche anfangen, diesen auf zwei erhöhen und so weiter. »Wichtig ist nur, dass man als Kita dran bleibt und die Sache nicht irgendwann einschläft«, ergänzt sie.

Wie wird es angebaut und produziert? Wo kommt es her? Hier ermutigt Costanza Müller den Einkauf der Kita dazu, beim Großhändler ruhig mal nach Alternativen zu fragen oder sich mit dem Caterer über die Herkunft seiner Produkte auszutauschen. Meist hätten die Vertreter:innen so ihre Standardprodukte. Doch es lohne sich, nach Bio-Produkten und lokalen Angeboten zu fragen.

Ist eine weltbewusste Ernährung nicht viel zu teuer?

Natürlich stand auch die Frage nach dem Budget im Raum. Eindeutig ist: eine vegetarische Ernährung ist teurer. Warum? Weil die Zubereitung vegetarischer Mahlzeiten personal-intensiver ist. Gemüse muss geputzt und geschnitten werden. Fleisch kommt bereits fertig zu Weiterverarbeitung an. Doch sollte uns unser Essen nicht so viel wert sein?

Costanza Müller machte durch ein Gedankenspiel noch einmal mehr als deutlich, warum uns ein gutes, ausgewogenes und weltbewusstes Catering in der Kita wichtig sein sollte: Zunächst werden Kinder in Horten, Kitas und Vorschulen verköstigt. Später essen sie in der Schulkantine. Danach versorgen sie sich während der Studienzeit über die Mensa. Je nachdem, wo sie arbeiten, steht ihnen vielleicht wieder eine Betriebskantine zur Verfügung. Und wenn die Menschen alt sind, versorgt sie über Essen auf Rädern oder im Pflegeheim wieder ein Caterer. Die Prägung findet in den ersten Lebensjahren statt.

Wer sich diesen exemplarischen Ernährungslebenslauf aus dieser Perspektive ansieht, dem wird klar: Die Außer-Haus-Versorgung ist ein wichtiges Thema. Es darf uns nicht egal sein, was wir hier verköstigen. Vor allem nicht bei Kindern, die sich in ihrer Entwicklung befinden und sich die Ernährungsgewohnheiten für ihr ganze Leben aneignen.

Tipp: Eltern begeistern

Wer Eltern von neuen Ernährungsweisen begeistern möchte, gewinnt sie am ehesten für einen Austausch, wenn die Kinder mit im Spiel sind. Ein Elternabend unter dem Motto »Ernährung« lockt die wenigsten an. Wenn die Kinder jedoch beispielsweise am Tag Brot gebacken haben und die Eltern abends kommen, um gemeinsam vegetarische Brotaufstriche zu machen, dann sind die meisten Eltern begeistert dabei: »Aha, so schnell geht das« und »Das ist ja doch richtig lecker«.

Die Essbegleitung ist ebenfalls wichtig

Bei einer guten Ernährungsbildung spielt jedoch nicht nur eine Rolle, dass die Kinder gute Lebensmittel erhalten, dass die Kita mit den Kindern über Ernährung und Lebensmittel spricht – sondern auch, dass Essen gebührend zelebriert wird. Ideal ist es, wenn eine Kita einen speziellen Essraum hat. Das sogenannte Restaurant. Hier können spezielle Regeln gelten. »Am besten drei, auf keinen Fall mehr als fünf«, mahnt Costanza Müller. Und sie müssen einfach und verständlich sein.

Außerdem muss den Erzieher:innen bewusst sein, dass das Essen selbst für sie keineswegs eine Pause ist (ihr eigentliches Essen essen sie später in ihrer Mittagspause!). Die Essbegleitung ist ein wichtiger pädagogische Teil der Ernährungsbildung. Dazu sollten sich Erzieher:innen ihrer eigenen Haltung zum Essen bewusst sein. Immerhin sind sie ein wichtiges Vorbild für die Kinder. Am besten ist es, wenn sie dies daher einmal schriftlich festhalten und ehrlich zu sich sind.

Teamarbeit: Das Verpflegungskonzept

Als letzten Punkt des Workshops waren noch einmal die Teilnehmenden gefragt. In Kleingruppen sollten sie ein Verpflegungskonzept für ihre Einrichtung erstellen und dabei die besprochenen Punkte berücksichtigen. Dabei waren die folgenden Aspekte wichtig:

  • Verpflegung: Welche Mahlzeiten gibt es? Was gibt es? Zum Beispiel »keinen Zucker« oder »nur einmal Fleisch pro Woche«
  • Mahlzeiten: Wann und wie finden diese statt? Wie sieht die pädagogische Begleitung aus? Was wollen die Kinder?
  • Beschaffung: Wo kaufen wir was ein?
  • Ernährungsbildung: Können die Kinder mit kochen oder Snacks mit zubereiten? Gibt es Kita-Rezepte, die sie auch mit nach Hause nehmen? Stehen im Essraum Körbe mit den Zutaten der Speisen, sodass die Kinder sehen können, was im Essen steckt?
  • Eltern-Kooperation: Wie binden wir die Eltern mit ein? Gibt es zum Beispiel eine Eltern-Challenge pro Jahr, bei dem die Kinder zusammen mit ihren Eltern eine Woche lang eine bestimmte Herausforderung annehmen, wenn sie möchten?
  • Team: Wie gehen wir mit unserer Ernährung um? Was essen wir beispielsweise während unserer Dienstbesprechungen?

All diese Punkte sollte eine Kita schriftlich festhalten. Dabei sollte laut Costanza Müller stets die Freude darüber im Vordergrund stehen, was eine Kita bereits erreicht hat und Positives tut. Und – ganz wichtig: Nicht nur die Leitung und die Erzieher:innen sollten in die Erstellung des Verpflegungskonzeptes involviert sein, sondern auch die Hauswirtschaftler:innen.

Linktipps für eine weltbewusste Ernährung

Hier finden Sie weitere Infos zu Costanza Müller:

1. Interview mit Costanza Müller über Essen in der Kita: https://kita-global.de/essen-in-der-kita/

2. Zusammenfassung eines Online-Seminars mit Costanza Müller: https://kita-global.de/onlineseminar-unser-essen-stationen-der-entstehung/

3. Profil mit Kontaktinformationen zu Costanza Müller: https://kita-global.de/mueller-costanza-22339-hamburg/

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