Interview: Kita in Chile

Wie lernen Kita-Kinder in Chile?

Kinder gibt es überall auf der Welt. Aber wie sieht ihr Alltag in der Kita aus? Und was können wir von ihnen und ihren Erziehenden lernen? KiTA-GLOBAL fragt Pädagog*innen aus aller Welt. Diesmal im Gespräch: Pamela Sanchez Aranda aus Chile.

Pamela Sanchez Aranda ist 45 Jahre alt und hat Kindergartenpädagogik studiert. Danach hat sie sich auch auf andere Bereiche spezialisiert, die alle mit Erziehung zu tun haben. So hat sie Psychopädagogik studiert, einen Master in Pädagogik und einige Diplome im Bereich der frühen Kindheit sowie Kurse in Waldschulpädagogik und nachhaltiger Erziehung absolviert. Sie wollte sich sehr gut vorbereiten, sagte sie uns, weil ihr die Verantwortung, Kinder zu erziehen, sehr wichtig ist.

Derzeit arbeitet sie in der Gemeinde Yungay. Sie liegt etwa 68 Kilometer landeinwärts von Chillán in der Region Ñuble. Die Gemeinde lebt vor allem von der Land- und Forstwirtschaft. Pamela Sanchez Aranda arbeitet als pädagogische Koordinatorin in den fünf verschiedenen Kindergärten der Gemeinde. Außerdem ist sie Leiterin des Kindergartens Parque Estadio. Ihre Aufgabe ist es, den pädagogischen Bereich der Erzieher*innen zu unterstützen, die pädagogischen Leitlinien vorzugeben und die Arbeit vor Ort in den Kindergärten zu begleiten. »Die Kinder, die wir betreuen, sind in hohem Maße vulnerabel«, erklärt sie. Sie leben zum Beispiel zusammen mit alleinerziehenden Müttern, Haushaltsvorständen, in einem Umfeld von Missbrauch und häuslicher Gewalt.

Wie viele Kinder haben Sie in den Kindergärten?

Pamela Sanchez Aranda: Der größte ist der Kindergarten Parque Estadio, in dem ich als Leiterin arbeite. Wir können insgesamt 84 Kinder aufnehmen. Derzeit sind 80 Kinder angemeldet, wir sind also fast an der Kapazitätsgrenze. Dieser Kindergarten hat seit acht Jahren ein Umweltschutzsiegel. Die anderen Einrichtungen befinden sich auf dem Land; ein Kindergarten hat 20 Kinder, ein anderer hat 36, ein weiterer fünf und der letzte 32 Kinder.

Wie sieht der Tagesablauf in diesen Kindergärten aus?

Pamela Sanchez Aranda: Der Tagesablauf in dem von mir geleiteten Kindergarten variiert je nach Jahreszeit. Kulturell bedingt gehen wir nicht raus, wenn es kalt ist oder regnet. Bei den meisten Eltern handelt es sich, wie bereits erwähnt, um sozial schwache Familien. Sie müssen arbeiten. Also müssen ihre Kinder versorgt werden und dürfen nicht krank werden. Um die Gesundheit der Kinder zu schützen gehen wir im Winter nur sehr wenig nach draußen. Aber im Sommer gehen wir umso mehr raus!

Wir beginnen den Tag mit der Begrüßung der Kinder. Wir begrüßen alle. Wir haben einen Raum, in dem wir die Anwesenden aufstellen und derer gedenken, die nicht gekommen sind. Dann machen wir uns mit den Kindern bewusst, wie das Wetter ist. Wir beobachten die Jahreszeiten. Jeden Tag erinnern wir uns daran, was wir gestern getan haben. Danach frühstücken wir, wobei wir das Essen segnen. Dann gibt es Raum für Bewegung. Anschließend wickeln die Betreuer die Kleineren. Die Älteren gehen selbständig auf die Toiletten.

Kita-Kinder in Chile

Im Frühjahr geht es dann auf den Spielplatz. Vor dem Kindergarten liegt ein Feuchtgebiet. Früher war es eine Mülldeponie, doch wir haben den Ort mit den Kindern wiederhergestellt. Sobald wir von dort zurückkommen, machen wir eine spielerische Sprachaktivität. Zum Beispiel erzählen wir uns jeden Tag eine Geschichte mit unterschiedlichen Methoden. Die Geschichte endet mit einer künstlerischen Aktivität. Wir fordern die Kinder beispielsweise dazu auf, das zu zeichnen, was ihnen an der Geschichte am besten gefallen hat. Dabei sollen sie verschiedene Techniken anwenden. Die älteren Kinder, die sprechen können, stellen ihre Arbeiten dann auch vor.

Am Nachmittag machen wir jeden Tag einen anderen Workshop. In der »Umweltwerkstatt« wenden wir Techniken für die Umweltpflege an. Zum Beispiel bauen wir dort Saatgutbomben. Außerdem gibt es einen interaktiven Spielplatz, auf dem wir Hühner halten. Hier können die Kinder die Hühner füttern oder nach Eiern suchen. Im Gemüsegarten haben wir ein Gewächshaus. Dort gießen sie die Pflanzen. Ein Teil ist die »Apotheke der Großmutter«. Hier gibt es verschiedene Kräuter. Dort lernen die Kinder die Texturen, Gerüche und Farben von Heilpflanzen kennen. Und schließlich gibt es auch einen Bereich für die Entwicklung der Sinne. Jede Pflanze dort spricht einen speziellen Sinn an – mit Blüten und Früchten, die die Kinder riechen, betrachten, schmecken und anfassen können.

Wir recyceln auch gemeinsam mit der Gemeinde. Vor der Covid-Pandemie haben die Kinder die Deckel von den Flaschen zum Recycling entfernten und die Dosen zerkleinert. Auch Frittieröl aus der Küche recyceln wir. Wir filtern es und geben es an ein Unternehmen, das daraus Biokraftstoff herstellt. Durch unsere Zusammenarbeit mit den Kindern erfährt die ganze Gemeinde, dass wir Abfälle durch Recycling wiederverwenden können. Auf diese Weise verringern wir den ökologischen Fußabdruck unserer Gemeinde.

Ist Umweltschutz der Schwerpunkt Ihrer Pädagogik?

Pamela Sanchez Aranda: Das Markenzeichen der Einrichtung ist der Umweltschutz. Er bezieht sich jedoch nicht nur auf das Recycling, sondern auch auf die Interaktion mit der Flora und Fauna, den Selbstanbau, die Pflege und die Wertschätzung von Wasser, den Energieverbrauch und vieles mehr. So haben wir beispielsweise auch Tonnen, in denen wir das Regenwasser sammeln. Mit diesem Wasser bewässern wir den Gemüsegarten. Auf viele unterschiedliche Weise schärfen wir also das Bewusstsein der Kinder für unsere Umwelt. Dahinter steht immer der Gedanken, alles in einem Kreislauf zu halten. Aber letztlich ist es wichtig, das die Erwachsenen das verstehen. Die Kinder haben das schnell verinnerlicht. Mit ihnen muss man nicht einmal diskutieren. Sie engagieren sich für ihre Umwelt und alle, die zu ihr gehören.

Pamela Sanchez Aranda bei ihrer Arbeit als Erzieherin in Chile

Was begeistern Sie und was sind die Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Pamela Sanchez Aranda: Erzieherin zu sein ist einer der schönsten und lohnendsten Berufe, die man ausüben kann, denn die Arbeit mit Kindern ist wunderbar. Sie sind kleine Lehrer und Lehrerinnen, denn sie lehren uns aus der Sicht der Unschuld, des Einfühlungsvermögens, der Liebe und der Kameradschaft – trotz aller Unterschiede. Sie machen das Leben mit den einfachsten Gesten schön, die man sich gegenseitig schenken kann. Manchmal mit einer einfachen Umarmung.

Das bringt mich dazu, Verantwortung für sie zu übernehmen. Das ist es, was mich an der Arbeit als Erziehende so begeistert. Die Interessen der Kinder zeigen uns den besten Weg, wie wir Lernen so vermitteln können, dass sie als glückliche kleine Menschen aufwachsen können. Sie in dieser ersten Phase zu begleiten, die für die Entwicklung ihres Seins so wichtig ist, ist wunderbar.

Wird Ihre Arbeit in Chile geschätzt?

Pamela Sanchez Aranda: Wir Erziehenden werden auf dem Papier und in der Forschung sehr geschätzt. Die Bildungsforschung hat schon lange erwiesen, dass die frühe Kindheit – und somit die Arbeit der Erziehenden in dieser Zeit – extrem wichtig ist. Jedes Mal, wenn ich ein Seminar oder eine Weiterbildung besuche, höre ich das. Doch in der Praxis sieht es anders aus.

Wir Erziehenden sind diejenigen, die jeden Tag in der ersten Reihe stehen. Jeden Tag geben und geben und geben wir, ohne müde zu werden. Manchmal sind wir erschöpft, weil es so viel zu tun und so wenige Ressourcen gibt. Manche Erziehenden in Chile haben keine geregelten Verträge. Manche von ihnen sind überhaupt nicht für den Umgang mit Kindern ausgebildet. Darüber hinaus ist das Bildungswesen stark vom politischen System abhängig. Mit jedem Regierungswechsel gibt es neue Richtlinien für die Schulen. Dies schadet leider der Arbeit und der Kontinuität des Unterrichts mit Kindern.

Gibt es in Chile Umweltschutz in der Bildungspolitik?

Pamela Sanchez Aranda: In der öffentlichen Politik ja, aber in der Praxis wird sie nicht beachtet; wirtschaftliche Aktivitäten haben immer einen höheren Stellenwert, als der Schutz der natürlichen Ressourcen und die Sorge um unsere Umwelt. Hinzu kommt, dass die Regierung nur sehr wenige Mittel für den Umweltschutz bereitstellt und es keine Informationen gibt, wie diese Mittel beantragt werden können – insbesondere für Bildungseinrichtungen.

Im Sommer sind die Kinder in Chile so oft wie möglich draußen.

Gibt es irgendwelche Rituale, die Sie mit den Kindern durchführen?

Pamela Sanchez Aranda: Die Rituale im Kindergarten Parque Estadio haben mit dem kulturellen Kontext unserer Gemeinde zu tun. Wir leben in einer ländlichen Gegend. Daher übernehmen wir einige der Kenntnisse, Rituale und Feste, die die Menschen um uns herum durchführen. Zum Beispiel gibt es viele Feste, die mit der Landwirtschaft, landwirtschaftlichen Tätigkeiten oder Ernte zu tun haben, wie etwa das Maikreuz und San Francisco. In vielen Ritualen wird vor allem die Sonne begrüßt.

Wie ist die Beziehung zu den Eltern?

Pamela Sanchez Aranda: Ausgezeichnet! Ich zähle auf sie. Ohne sie könnte nichts getan werden. Dies ist eine gemeinsame Anstrengung, und wir haben alles, was wir erreicht haben, dank ihnen erreicht. Wenn ich sie um etwas bitte, sind sie immer zur Stelle.

Was möchten Sie den Kindern für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Pamela Sanchez Aranda: Dass sie sich um die Umwelt kümmern und dafür ein Bewusstsein bekommen. Es wäre wunderbar, wenn ich diesen Samen in ihren Herzen säen könnte. Und das haben wir auch erreicht. Leider ist es damit zu Ende, wenn sie in die Schule kommen. Dennoch: sie vermissen es und kommen zurück. Sie kommen immer zurück, um sich an die schöne Zeit im Kindergarten zu erinnern.

Welches Lied, Spiel oder Buch mögen die Kinder besonders gerne?

Pamela Sanchez Aranda: In den letzten zwei Jahren haben wir Räume geschaffen, in denen das spontane und freie Spiel die treibende Kraft für das Lernen der Kinder ist und nicht ständig von uns als Bildungsagenten gesteuert wird. Wir haben auch verschiedene Techniken und Methoden aus unterschiedlichen Lehrplänen verwendet, die zum Lernen der Kinder beitragen und mit dem pädagogischen Siegel des Kindergartens in Verbindung stehen. Dazu gehören zum Beispiel die Waldorf-Methoden, Emi Pickler mit der Entwicklung der freien Bewegung und die Waldschul-Methoden. Dazu verlassen wir die Räume des Kindergartens und nutzen die natürlichen Räume im Freien. Hier können die Kinder mit allen Sinnen lernen.