Kindergarten der Kulturen

Je früher Kinder die kulturelle Vielfalt unserer Welt kennenlernen, desto besser, findet die Ökonomin Melanie Haub und hat deshalb den Kindergarten der Kulturen in Freiburg gegründet. Wir haben mir ihr gesprochen und mehr erfahren.

„In der interkulturellen Erziehung steckt das große Potential, dass die Kinder so neugierig und weltoffen bleiben, wie sie es eigentlich sind – und nicht so empfänglich werden für Vorurteile, wie es geschehen kann, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt. Wenn sie schon früh lernen, dass Vielfalt normal ist, empfinden sie viele Dinge nicht als fremd und bauen somit auch nicht so leicht Ängste oder Misstrauen gegenüber Unbekanntem und Neuem auf“, meint Melanie Haub.

Neben ihrem Wirtschaftsstudium hat sie interkulturelle Handlungskompetenz studiert. Daraufhin war es ihr ein großes Anliegen, interkulturelle Kompetenz weiterzugeben – besonders an die ganz Kleinen. So entstand die Idee, dies in einem Kindergarten umzusetzen. Heute ist sie Geschäftsführerin des Kindergartens der Kulturen in Freiburg mit zwei Gruppen mit rund 45 Kindern zwischen drei und sechs Jahren.

Was macht den Kindergarten der Kulturen so besonders?

Melanie Haub: Das Besondere ist, dass etwa die Hälfte der Kinder oder deren Eltern unterschiedliche Nationalitäten aus allen Kontinenten haben. Die meisten Nationen sind nur einmal vertreten, eine Konzentration auf bestimmte Länder oder Kontinente gibt es nicht. Außerdem orientieren wir uns an der Reggio-Pädagogik, unsere Schwerpunkte sind Globales Lernen sowie interkulturelle Erziehung. Die Kombination aus interkulturellem und globalem Lernen ist sehr besonders. Hier gibt es eine sinnvolle Verknüpfung, die die Kinder auf eine globalisierte und interkulturelle Welt vorbereitet. Ebenso wichtig ist uns die Wertschätzung im Umgang miteinander und mit den Ressourcen, was wir den Kindern mitgeben möchten.

Seit Juli 2018 ist der Kindergarten der Kulturen zudem FaireKITA im Rahmen des Programms „FaireKITAS Baden-Württemberg“, welches vom Entwicklungspädagogischen Informationszentrum in Reutlingen (Epiz) aus koordiniert wird. Mit dieser Auszeichnung zeigen wir unsere Haltung auch nach außen, denn eine FaireKITA ist eine, in der Globales Lernen zum Alltag der Kinder gehört. Die Vielfalt unserer Welt wird beim Globalen Lernen mit allen Sinnen erfahrbar. Spielerisch können unsere Kinder lernen, dass die Waren, von denen sie umgeben sind, eine Herkunft haben. Ein Blick über den Tellerrand zu den Familien in anderen Teilen der Welt, die zum Beispiel die Baumwolle für unsere T- Shirts anbauen, kann helfen die Welt besser zu verstehen.

Wie passt die Reggio-Pädagogik zu Globalem Lernen und BNE?

Melanie Haub: Wir orientieren uns vor allem in Bezug auf die Haltung zum Kind an der Reggio-Pädagogik und an der Rolle der Erzieher*innen. Dabei sollen Kinder durch Experimente die Welt für sich entdecken und keine fertigen Lösungen serviert bekommen. Die Erzieher*innen haben eher die Rolle einer Begleitung. Zudem haben sie ein positives und optimistisches Bild von jedem Kind. Die Reggio-Pädagogik ist uns auch wichtig, da sie für Offenheit und Miteinander steht.

Die Kinder im Kindergarten der Kulturen lernen dabei individuell und in einem Gemeinschaftsprozess von- und miteinander. Zu der Philosophie gehört auch, den Kindergarten als Teil der Gesellschaft zu sehen und für die große, weite Welt offen zu sein. Dies setzen wir um, indem wir mit den Kindern die Umgebung kennenlernen, die Eltern einbinden und durch eine Partnerschaft mit einem Kindergarten in Uganda über unsere Landesgrenzen hinweg schauen. So können die Kinder Globales Lernen direkt in der Praxis erleben und ganz spielerisch über die Kultur und das Leben in einem afrikanischen Dorf lernen. Diese beiden Aspekte – Offenheit und Miteinander – halte ich für eine nachhaltige und interkulturelle Welt als wichtige Grundvoraussetzung.

Welche Herausforderungen gibt es im Kindergarten der Kulturen?

Melanie Haub: Eine Schwierigkeit ist immer wieder die Sprache. Dies ist für die Kinder natürlich nicht so gravierend wie für uns Erwachsene. Es dauert bei Sprachbarrieren einfach viel länger, bis man mit den Eltern in einen intensiven Kontakt kommt und Aktionen oder ähnliches besprechen kann. Auch die Kulturunterschiede sind nicht immer nur bereichernd und spannend. Vielfalt ist eben eine Herausforderung, mit der man umgehen können muss. Das ist Teil unserer Arbeit.

Doch es gibt auch jede Menge Chancen und tolle Gelegenheiten. Zum Beispiel dass die Eltern und Kinder authentisch aus unterschiedlichen Lebenssituationen und Sichtweisen berichten oder Gegenstände und Lebensmittel mitbringen und zeigen können. Das ist etwas ganz anderes, als wenn wir das nur in einem Buch nachschlagen. Außerdem macht es auch viel mehr Spaß. Es ist greifbarer für die Kinder und das Team – und die Eltern sind eingebunden.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Eltern aus?

Melanie Haub: Wir beziehen die Eltern bei unterschiedlichen Aktionen mit ein. Da sind zum Beispiel die Backtage oder der internationale Tag des Buches. Hier laden wir die Eltern ein in gemütlichen Ecken in ihrer Muttersprache vorzulesen. Am Weltmusiktag holen wir sie zur musikalischen Unterstützung ins Haus oder zu Weihnachten oder Fasnacht fragen wir, ob und wie diese Feste denn bei ihnen gefeiert werden. Am meisten freuen wir uns dann, wenn die Eltern in den Kindergarten kommen und selbst berichten. Urlaubsberichte mit vielen bunten Fotos finden immer wieder Platz im Morgenkreis.

Warum ist Globales Lernen im Kindergarten so wichtig?

Melanie Haub: Globales Lernen schon ab dem Kleinkindalter legt einen wichtigen Grundstein für das Verständnis und den Respekt gegenüber unserer Erde, den Ressourcen und anderen Kulturen. Die Kinder lernen die Zusammenhänge kennen und können die Welt als Gesamtheit betrachten. Auf diese ersten Erfahrungen können sie später aufbauen.

Haben Sie Tipps und Ideen für Globales Lernen?

Melanie Haub: Wir vom Kindergarten der Kulturen haben eine ganze Reihe von Aktionen gemacht. Zum Beispiel die Aktion „Weihnachten hier und anderswo“, wozu wir unter anderem die Materialien von „Weihnachten weltweit“ verwendet haben. Wir haben die Vorlagen der Bilder- und Vorlesegeschichten als schöne Bücher drucken lassen und immer wieder zur Hand genommen. Darüber hinaus haben wir die Kinder in unserem Partner-Kindergarten in Salem, Uganda gefragt, ob und wie sie Weihnachten feiern. Die Kinder haben uns schöne, selbst gemalte Bilder geschickt, die wir uns angeschaut und eingerahmt haben. Und wir haben erfahren, dass die Kinder dort an Weihnachten mit der Familie zusammen sind und dass das gemeinsame Essen im Mittelpunkt steht.

Schließlich haben wir mit unserer griechischen FSJ-lerin „Oh Tannenbaum“ auf griechisch gelernt und konnten das Lied dann auf drei Sprachen singen – deutsch, griechisch und englisch. Die Pappmaché-Kugeln von „Weihnachten weltweit“ haben wir bemalt und an einen Tannenbaum gehängt. Am letzten Tag vor den Ferien durften die Kinder ihre Kugel mit nach Hause nehmen und konnten mit dem tollen Begleitbuch sehen, wo die Kugeln denn herkommen.

Neben solchen Feiertagen sind Lebensmittel ein guter Anknüpfungspunkt für Globales Lernen. Zum Beispiel haben wir im Kindergarten der Kulturen bei unserer Aktion „Warum ist die Banane krumm?“ die Herkunft der Bananen erkundet. Auftakt war ein Morgenkreis, den wir mit den Materialien von FaireKITA gestaltet haben. Die Kinder haben gesehen, wo Bananen herkommen, wie sie wachsen und was für eine aufwendige Arbeit dahinter steckt. Anschließend gab es eine ganze Projektwoche mit einem Ausflug zum Botanischen Garten, in dem viele Bananenpflanzen wachsen. Wir haben Bananenmilch, Bananenkekse und Bananeneis zubereitet und eine ecuadorianische Tante von einem unserer Kinder besucht, die leckere Bananenpfannküchlein gebacken hat. Darüber hinaus haben wir Bananentinte selbst gemacht und damit gemalt. Bei einem Ausflug in den Weltladen in Freiburg konnten wir für alle nochmal Bananen kaufen, haben Bananendomino gespielt und ein kleines Video gesehen, warum Bananen krumm sind.

Verlosung: Machen Sie mit bei Weihnachten weltweit?

Übrigens: Wer sich wie der Kindergarten der Kulturen an der Aktion „Weihnachten weltweit“ ebenfalls beteiligt (hat) und uns Fotos von den bunten Pappmaché-Kugeln im Baum und einige Zeilen zu den begleitenden Aktionen schickt, kann an der Verlosung einer Holzkrippe von Ostheimer mitmachen. Wie, wann und wo? das erfahren Sie hier.

Verlosung beendet.

Foto (Cover): haubsache gemeinnützige GmbH