Desiree Ekani und ihr Mann, Gründer der Organisation Afrokids Ulm/Neu-Ulm

Audio-Interview: Antirassismus in der Kita

Was bedeutet eigentlich Antirassismus in der Kita? Desiree Ekani hat dazu Antworten. Sie ist die Mitgründerin der Organisation „Afrokids Ulm/Neu-Ulm“ – nicht zu verwechseln mit der Organisation Afrokids International. Der junge Verein ist 2021 entstanden, bietet afrodeutschen Kids Freizeitaktivitäten sowie Schulen und Kitas antirassistische Workshops an. Wir freuen uns sehr, dass sich Desiree Ekani die Zeit genommen hat, um über antirassistische Bildungsarbeit zu sprechen! Das Interview finden Sie im folgenden im Audio- und Textformat. Weitere Infos zu afrokids Ulm/Neu-Ulm gibt es weiter unten.

Klicken Sie auf das Play-Icon (kleiner Pfeil oben links), um das Interview als Audio-Datei zu hören. Oder lesen Sie es sich als Text unten durch.

​Du hast Afrokids Ulm/Neu-Ulm im Herbst 2021 gegründet, warum?

Desiree Ekani: Ich habe drei Kinder im Alter zwischen eins und 15 und habe oft gemerkt, dass die Freizeitprogramme der Stadt – zum Beispiel über Vereine – ziemlich »weiß« sind. Zum Beispiel habe ich meine Tochter einmal zum Kinderturnen angemeldet. Doch wir haben uns total unwohl gefühlt, denn wir wurden dort zum Beispiel oft gefragt, wo wir herkommen, wie lange wir schon hier sind und wieso wir so gut Deutsch sprechen. Meine Tochter hat das sehr verunsichert, weil wir Deutsche wie alle anderen Deutschen auch sind.

Ich war irgendwann nur noch genervt und habe mir deshalb überlegt: »Wie können wir uns besser fühlen, auch wenn wir so etwas ständig erleben? Oder wie können wir Gleichgesinnte kennenlernen, die vielleicht ähnliches erleben? Und wie können wir uns gegenseitig empowern, um in solchen Situationen zu wissen, dass es wir diesen Ort haben, wo wir auch ein Gleichheits- und Mehrheitsgefühl erleben?«.

Ich habe darüber mit meinem Mann gesprochen und gemeinsam kamen wir auf die Idee, eine Spielgruppe für Afrokids zu gründen. Wir dachten: »Vielleicht können wir dann ja auch selbst mal so etwas wie Kinderturnen und anderes anbieten …«. Also haben wir einen Flyer vorbereitet, bei Facebook und auf Instagram eingestellt und zu einem ersten ganz lockeren und unverbindlichen Treffen auf einem Spielplatz eingeladen. Wir wollten einfach mal gucken, ob es überhaupt Nachfrage gibt. Bereits beim ersten Treffen kamen 15 oder 16 Familien. Ich hab damals die Eltern gefragt: »Worauf habt ihr Lust? Was ist euer Anliegen? Warum seid ihr hergekommen?« Seitdem ist die Gruppe immer größer und größer geworden.

​Und wie sieht es heute aus? Was macht ihr?

Desiree Ekani: Wir hatten von Anfang an die Idee, die afrokids Ulm/Neu-Ulm auch bei der Stadt zu bewerben. So haben wir eine Anfangsfinanzierung bekommen und ganz viel Unterstützung. Deshalb ist die Gruppe der Familien immer weiter gewachsen. Bei jedem Treffen waren neue Familien dabei. Und schließlich kamen auch Anfragen, ob wir auch anderes machen, außer diesen Treffen. So kam irgendwann die Frage auf: »Wie wäre es, einen Verein zu gründen?« Die Gruppe war mittlerweile so groß und die Projekte so ernsthaft, dass wir eine Organisationsform brauchten, damit wir uns die Arbeit gut aufteilen konnten. Heute gibt es einen inneren Kern. Dazu gehören mein Mann und ich sowie andere Afrokids-Eltern, die etwas Gutes und Festes aus dem Projekt machen möchten.

Afrokids Ulm bietet interaktive Geschichten mit Schwarzen Protagonist:innen – ein gutes Beispiel, wie Antirassismus in der Kita gepflegt werden kann.
Marvin Ekanie, der Mann von Desiree Ekani und Mitgründer von Afrokids Ulm, beim interaktiven Geschichten erzählen.

​Was macht ihr für Projekte?

Desiree Ekani: Neben den Treffen für die Afrokids haben wir irgendwann auch angefangen, Workshops für Antirassismus-Themen zu geben – zum Beispiel zu »Rassimuskritischem Denken « oder Empowerment-Workshops für afro-deutsche Jugendliche wie »Wie bezeichne ich mich eigentlich selbst?« Dann kamen immer mehr Anfragen nach den Rassismuskritisch-Denken-Workshops – das war mit ein Grund für die Vereinsgründung. Wir wollten diese Workshops professionell durchführen.

Daneben bieten wir für alle Kinder der Stadt öffentliches Geschichtenerzählen an. Mein Mann erzählt dabei afrikanische Geschichten für Kinder. Diese sind interaktiv. Das heißt, die Kinder kriegen in der Geschichte auch eine Rolle und machen mit. Und ich schminke die Kinder anschließend mit einem Tribal Makeup. Die Kinder können sie anhand verschiedener Bilder von afrikanisch stämmigen Menschen mit Tribal Makeup eines aussuchen und ich schminke sie danach.

Desiree Ekani, Gründerin von Afrokids Ulm, schminkt nach der Lesung.
Desiree Ekani, wie sie eines der Afrokids nach dem Geschichten erzählen mit einem Tribal Makeup schminkt. Sie selbst hat ebenfalls ein Tribal Makeup.

​Ihr entwickelt gerade Angebote für Antirassismus in der Kita – was ist geplant?

Desiree Ekani: Die Angebote zu Antirassismus in der Kita gehen der Frage nach, wie diskriminierungsfrei ein Kindergarten ist. Sie beziehen dabei alle Seiten ein: sowohl die der Erzieher:innen und Lehrkräfte, als auch die der Schülerinnen und Schülern. Uns ist es sehr wichtig, dass sich rassismuskritische Bildungsarbeit auch an Erwachsene richtet – also an die Leitenden, die Führungspositionen, die Lehrer:innen und Erzieher:innen. Die Workshops zeigen, wie diese Menschen Antirassismus in der Kita umsetzen können. Zum Beispiel, indem sie als Erzieher:in rassistische Situationen erkennen und darauf reagieren können.

Ein Beispiel, das sehr typisch ist: Ein weißes Kind sagt einem Schwarzen Kind, dass es nicht mitspielen darf, weil es eine dunklere Hautfarbe hat. Immer noch. Ich selbst bin nun 37 und auf dem Dorf aufgewachsen. Egal, wo ich war – ich war immer die Einzige, die Schwarz war. Das war sehr unangenehm, denn ich habe ständig vermittelt bekommen, dass etwas mit mir nicht stimmt. Etwas anders und falsch ist. Heute ist Deutschland multikulturell – und dennoch schaffen wir es immer noch nicht, Schwarze Menschen als etwas Normales zu sehen. Und vor allem auch als deutsch.

Es ist daher wichtig, dass die Erzieher:innen umgehend die Eltern beider Kinder kontaktieren – die des ausgeschlossenen und die des ausschließenden Kindes. Kinder kommen nicht von alleine auf die Idee, ein anderes Kind aufgrund seiner Hautfarbe auszugrenzen.

Deshalb ist es genauso wichtig, dass die Erzieher:innen die Situation auch mit den Kindern besprechen. Kein Kind ist ein Rassist oder eine Rassistin. Es sagt sich nicht bewusst: »Du bist Schwarz und deshalb grenze ich dich jetzt aus«. Ein Kind denkt nicht so komplex. Es schnappt das irgendwo etwas auf und trägt es so weiter. Es kann sein, dass es irgendwo etwas gehört hat. Oder es sieht im Fernsehen, wie über Menschen in Afrika berichtet wird: Da sitzen arme Kinder mit schlechten Schuhen und alten Klamotten und das zeigt, dass diese irgendwie schlechter sind, als wir. Dass wir denen helfen müssen.

Sehr oft ist so ein Verhalten auch eine Folge fehlender Repräsentation von Schwarzen Kindern. Diese Kinder werden nicht als normal angesehen. Sie sind etwas Besonderes, etwas Exotisches. Die Kinder, die hier aufwachsen – so wie ich und meine Kinder – wir sehen uns als deutsch. Wir sind Deutsche. Aber das wird eben nicht so angenommen. Und das fängt im Kindergarten an. Deshalb brauchen wir Antirassismus in der Kita.

​Warum sollten Erzieher:innen und Lehrer:innen Antirassismus in der Kita aktiv umsetzen?

Desiree Ekani: Wir alle sind rassistisch sozialisiert. Alle. Wenn jemand das anspricht bedeutet das nicht, dass eine Person ein Rassist oder eine Rassistin ist. Das ist ein wichtiger Unterschied: Rassist:innen kommen aus der rechten Ecke. Sie wollen bewusst Menschen dehumanisieren und unterdrücken. Das wollen die meisten nicht. Dennoch sind wir alle in einer Gesellschaft aufgewachsen, die auf Rassismus aufgebaut ist.

Unsere Kinder gehen in die Kita und die Schule und nehmen sehr viel mit. Wenn es dort Erwachsene gibt, die ein waches Auge für Antirassismus haben, dann macht das sehr viel aus. Antirassismus bedeutet nicht nur, darauf zu achten, dass man keine rassistischen Dinge sagt. Es bedeutet auch, dass man aktiv handelt. Und da sind wir beim Thema der Repräsentation – das ist das Wichtigste!

Angefangen hat Afrokids Ulm mit Spieltreffen für Afrokids. Workshops zu Antirassismus in der Kita kamen erst später dazu.

​Wie gelingt Antirassismus in der Kita? Hast du praktische Tipps?

Desiree Ekani: Ja, natürlich. Zum Beispiel können Erzieher:innen Kinderbücher sorgfältig auswählen. Dabei können sie sich auch Hilfe und Unterstützung holen, zum Beispiel bei afrokids Ulm/Neu-Ulm. Sie sollten dafür sorgen, dass in den Kinderbüchern nicht immer alle weiß und blond sind. Sondern dass die dargestellten Menschen divers sind.

Außerdem können Erzieher:innen bestimmte Kinderlieder aus der Gesangsmappe streichen, weil sie rassistische Sterotypen reproduzieren. Wenn sie diese einfach weglassen, lernen die Kinder diese auch nicht mehr und damit die rassistischen Annahmen.

Wie bereits gesagt, sollten Erzieher:innen versuchen, richtig zu handeln, wenn rassistische Situationen aufkommen. Auch hier bieten wir Hilfestellung innerhalb von Workshops. Da müssen sie mit den Eltern ins Gespräch kommen.

Zuvor müssen sie sich aber zunächst einmal selbst mit dem Thema auseinandersetzen. Zum Beispiel mit der Geschichte: Woher kommt Rassismus eigentlich? Wie weit verfolgen wir die Geschichte zurück? In Deutschland wird über den anti-Schwarzen Rassismus im Schulsystem nicht viel gelehrt. Was wissen wir denn darüber eigentlich? Man muss sich mit unserer Geschichte dazu auseinandersetzen, denn dann versteht man auch die Zusammenhänge besser.

Vieles, was wir an anti-Schwarzem Rassismus mitbekommen, spielt sich im amerikanischen Raum ab. Aber es ist viel wichtiger zu schauen: Was ist im deutschen Raum passiert? Dazu bieten wir übrigens auch einen Workshop an mit dem Titel »Afro-deutsche Held:innen«.

Auch Sprache ist sehr wichtig. Das spielt zum Beispiel eine Rolle, wenn es um Elterngespräche geht. Da sollten Erzieher:innen heraushören, wie sich Schwarze Menschen selbst bezeichnen und diese selbst gewählte Bezeichnung dann auch respektieren. Oder sich bewusst machen: Wie bezeichne ich eigentlich Schwarze Menschen normalerweise?

Und schließlich ist es immer gut das, was man auf diese Weise lernt, nicht für sich zu behalten, sondern weiterzugeben. Wenn ich zum Beispiel höre, wie meine Kolleg:innen rassistische Dinge reproduzieren, dann sollte ich sie auch darauf ansprechen. Wer als Erzieher:in oder Kita-Leitung nun das Gefühl hat: »ach, so einen Workshop könnten wir mal gebrauchen« – der kann das ja gleich mal im Team vorschlagen!

Ein gutes Schlusswort. Liebe Desiree, vielen Dank für das Gespräch und überhaupt für deine wichtige Arbeit. Wir von Kita-Global wünschen dir und afrokids Ulm/Neu-Ulm alles Gute und viel Erfolg!

Afrokids Ulm/Neu-Ulm

Der junge Verein bietet eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Workshops. Die nächsten Termine sind:

Geschichtenerzählung aus dem west- und zentralafrikanischem Raum mit Tribal Makeup im B21 Neu-Ulm. Freitag, 28. September 2023 von 16-17 Uhr (im Rahmen der interkulturellen Woche Neu-Ulm).

Reguläre Afrokids-Treffen finden wieder ab Mitte Oktober statt. Das genaue Datum und die Uhrzeit werden am 3. Oktober auf allen unten genannten Seiten bekannt gegeben. 

Geschichten beim Erzählfest in Untertürkheim. Freitag, 20.Oktober 2023, 15 Uhr

Afrokids Ulm/Neu-Ulm Empowerment Camp, unter anderem mit Matondo Castlo von Kika Baumhaus. 27. Mai bis 1. Juni 2024 in Friedrichshafen am Bodensee statt. Infos und Anmeldung per Email (siehe unten). 

Weitere Infos finden Sie auf folgenden Plattformen:
Instagram: www.instagram.com/afrokids_ulm
Facebook: www.facebook.com/afrokidsulm
E-Mail: afrokids-ulm((at))web.de