Im Interview: Fachpromotor Kafalo Séckongo über internationale Kita-Partnerschaften

Audio-Interview: Tipps für die internationale Kita-Partnerschaft

Internationale Kita-Partnerschaften schenken Kindern einen wertvollen Erfahrungsschatz, von dem sie ihr Leben lang profitieren. Wie sich eine Kita-Partnerschaft initiieren und erfolgreich gestalten lässt, darüber sprach KiTA-GLOBAL mit dem Fachpromotor Kafalo Sékongo.

Kafalo Sékongo ist in der Elfenbeinküste geboren. Dort hat er Germanistik studiert und als Deutschlehrer an einem Gymnasium in Bouaké gearbeitet. Seit 2010 lebt er in Deutschland und ist unter anderem Fachpromotor für internationale Bildungs-Partnerschaften. Als solcher berät er Kitas und Schulen – und wir freuen uns sehr, dass er uns zu diesem Thema Auskunft gegeben hat.

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Warum lohnt sich eine internationale Kita-Partnerschaft?

Kafalo Sékongo: Es ist wichtig, dass sich bereits Kitas miteinander vernetzen. Dadurch setzen sich die Kinder schon in einem ganz jungen Alter mit bestimmten Themen auseinander. Wie wir im Globalen Lernen sagen: Je früher, desto besser. Denn in diesem zarten Alter ändert sich bei den Kindern noch ganz viel. Das ist genauso wie bei Pflanzen: Sie als zarte Sprösslinge zu verpflanzen ist viel einfacher, als wenn sie sich bereits um einen großen Baum entwickelt haben.

Wenn sich bereits Kita-Kinder treffen, haben sie schon früh in ihrem Leben die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Sie lernen miteinander zu sprechen. Denn natürlich ist es besser, miteinander zu reden, als übereinander. Und wir wissen, wie viele Klischees es – leider – sowohl im Globalen Norden als auch im Globalen Süden über die jeweils anderen Menschen immer noch gibt. Deshalb ist es gut, wenn sich die Kinder direkt begegnen und im Austausch miteinander diese Klischees abbauen können. Dann lernen sie, dass die Narrative, die es in unserer Welt gibt, nicht unbedingt stimmen.

Dazu gehört zum Beispiel, dass die Kinder im Globalen Norden schon ganz früh einen Überlegenheitskomplex entwickeln. Sie haben das Gefühl, dass sie den Kindern im Globalen Süden überlegen sind. Und umgekehrt entwickeln bereits kleine Kinder im Globalen Süden einen Minderwertigkeitskomplex. Das hat noch immer mit der Kolonialzeit zu tun und wie man damals mit den Menschen umgegangen ist. Da sind Spuren auf beiden Seiten geblieben, die bis heute wirken. Durch eine internationale Kita-Partnerschaft kann man eine Begegnung auf Augenhöhe vorbereiten und durchführen. Deshalb sind solche Bildungspartnerschaften sehr, sehr wichtig.

Wie können Kitas eine internationale Kita-Partnerschaft so vorbereiten, dass sie keine Vorbehalte reproduzieren?

Kafalo Sékongo: Wer mit einer anderen Kultur zu tun hat, muss sich mit Kommunikation beschäftigen. Zum Beispiel gehören dazu Fragen wie: Wie kommuniziere ich mit dem Anderen? Welche Werte sind dem Anderen wichtig? Worauf sollte ich acht geben? Denn es ist wichtig, da es bereits kleine Dinge geben kann, die für uns keinerlei Bedeutung haben – aber für den anderen anders klingen. Deshalb ist es ganz wichtig, die eigene Wortwahl zu beachten: Wie reagiert der Andere auf meine Worte? Und welche Werte stecken für ihn oder sie dahinter?

Wenn man sich damit ein bisschen beschäftigt, dann ist auch klar, dass das Thema »Rassismus« leider nicht nur uns, sondern auch unsere Kinder begleitet. Vor allem die Erzieher:innen und Projekt-Koordinator:innen müssen sich mit dem Thema beschäftigen. Sie haben in dieser Hinsicht eine ganz wichtige Vorbildfunktion – nicht nur bei einer internationalen Kita-Partnerschaft. Ihre Wortwahl bestimmt in aller Regel die Worte der Kinder. Wenn sie darauf achten, dass ihre Wortwahl klischee- oder rassismusfrei ist, dann hat das eine große Wirkung. Sie sollten die richtigen Worte in Absprache mit dem Partner im Globalen Süden finden.

Sehr oft ist es so, dass eine weiße Person aus dem Globalen Norden unbedingt politisch korrekt sein möchte, wenn sie mit einer schwarzen Person aus – zum Beispiel – Afrika zu tun hat. Dann weiß sie zum Beispiel nicht, wie sie die Person aus dem Globalen Süden nennen soll, sodass sie sich nicht beleidigt fühlt und damit einverstanden ist. In so einem Fall ist es richtig und wichtig, dass man das einfach miteinander klärt. Beide Partner müssen einen Common Ground in der internationalen Kita-Partnerschaft finden, wie sie miteinander umgehen möchten.

Wie finde ich als Kita den passenden Bildungspartner?

Kafalo Sékongo: Da gibt es kein Rezept. Manche Leute finden per Zufall eine passende Kita. Sie begegnen einer Person aus dem Globalen Süden oder aus dem Globalen Norden – und da entsteht eine Bekanntschaft oder sogar eine Freundschaft. Das kann ein Elternteil oder ein:e Erzieher:in sein. Daraus kann eine Partnerschaft entstehen. Das ist ein Weg.

Aber zum Glück gibt es auch Strukturen, die so etwas fördern. Zum Beispiel gibt es das Entwicklungspädagogische Informationszentrum (EPiZ) in Reutlingen mit dem Projekt »Treffpunkt Welt«. Außerdem gibt es das Fachpromotor:innenprogramm mit dem Fachpromotor für internationale Kita-Partnerschaften. Beide können Kitas vernetzen. Hier kann man Kontakt aufnehmen, sich informieren und Unterstützung bekommen.

Links zu internationalen Kita-Partnerschaften

Pro Bundesland gibt es andere Einrichtungen, die bei der Suche nach einer Partner-Kita behilflich sein können. Hier sind ein paar Tipps:

1. Das Projekt »Treffpunkt Welt« vom Entwicklungspädagogischen Zentrum (EPiZ) in Reutlingen unterstützt Kitas in Baden-Württemberg: https://www.epiz.de/de/Treffpunkt-Welt/

2. In Nordrhein-Westpfahlen unterstützt das Projekt FaireKITA bei der Suche nach einer geeigneten Partner-Kita in Namibia: https://kita-global.de/interview-aufbau-nachhaltiger-kitapartnerschaften-mit-namibia/

Worauf muss ich zu Beginn einer internationalen Kita-Partnerschaft achten? Was sind wichtige Schritte? Welche Fallstricke gibt es?

Kafalo Sékongo: Die Kommunikation ist wichtig, wie bereits erwähnt. Die Partner müssen eine gemeinsame Sprache finden. Genauso wichtig ist es, gemeinsame Ziele zu bestimmen. Es ist gut, wenn beide Partner ähnliche Erwartungen an die internationale Kita-Partnerschaft teilen. Wenn die Erwartungen zu unterschiedlich sind, verstehen sich die Kitas am Ende auch nicht so gut. Deshalb ist es gut, wenn zu allererst diese Erwartungen geklärt sind.

Außerdem ist es wichtig, dass beide Seiten von der Partnerschaft profitieren. Es sollte ein Win-Win-Partnerschaft sein. Aber das kommt nicht von alleine. Man muss miteinander besprechen: Wie wollen wir voneinander lernen? Was wollen wir voneinander lernen? Das kann man in unterschiedlichen Sitzungen mit den Partnern klären.

Es ist dabei wichtig, dass wir hier im Globalen Norden von unserem »Helfersyndrom«, wie manche das nennen, wegkommen. Sehr oft denken Kitas im Globalen Norden, wenn sie an eine Partnerschaft denken: »Wir können etwas abgeben. Wir leben in einer Überflussgesellschaft und können Dinge sammeln, die wir sonst wegschmeißen würden – und damit dann Menschen helfen, die das gebrauchen können«.

Das ist gut gemeint. Aber wenn eine internationale Kita-Partnerschaft so beginnt – mit Spenden- und Hilfsaktionen –, wird aus einer Bildungspartnerschaft ganz schnell eine Patenschaft und das ist nicht gut. Natürlich kann es im Verlauf der Partnerschaft dazu kommen, dass der eine dem anderen hilft. Aber das kann nicht der Rahmen für die gesamte Kita-Partnerschaft sein.

Wichtig: Wenn es zu einer Hilfsaktion kommt, müssen Erzieher:innen das Thema »Armut« mit den Kindern besprechen. Sie müssen mit den Kindern darüber reden, wieso es eigentlich so eine Ungleichheit zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden gibt. Das können Kinder auch schon in diesem Alter verstehen, wenn man es ihnen gut erklärt. Nur dann können sie die Kinder aus dem Globalen Süden mit anderen Augen sehen. Sie verstehen dann, dass es nicht einfach nur hilfsbedürftige Kinder sind und wir hier im Globalen Norden nicht bessere Menschen sind. Sie verstehen, warum die Kinder im globalen Süden in dieser Situation sind, wenn die Ursachen der Armut thematisiert wurden.

Wichtig ist auch, dass beide empfangen und geben. Die Erzieher:innen müssen den Kindern vermitteln, dass beide Seiten etwas geben und nehmen können. Das Geben bezieht sich ja nicht immer auf Finanzielles oder Materielles. Man kann auch Werte miteinander teilen. Eine Lebensphilosophie ist etwas Wertvolles zum Beispiel. Und diese mit anderen zu teilen, bereichert die andere Seite ungemein.

Was kann eine Kita tun, um die internationale Kita-Partnerschaft zu pflegen und dauerhaft am Laufen zu halten?

Kafalo Sékongo: Viele internationale Kita-Partnerschaften versanden mit der Zeit. Meistens fehlt es dann an Kreativität. Kreativität ist sehr wichtig – und zwar auf beiden Seiten. Daher sollen sich die Partner regelmäßig treffen. Zum Beispiel können sie sich zu Beginn des Jahres austauschen und einen gemeinsamen Plan erstellen: Was wollen wir gemeinsam machen? Wann geschieht das? Was haben wir geschafft und was nicht? Diese Treffen können entweder online stattfinden oder per Telefon. Sie sollten regelmäßig, aber auch nicht so oft stattfinden, dass es für die Partner anstrengend wird. Die Partnerschaft sollte vor allem Spaß machen.

Um die Besprechungen in den Treffen zu erleichtern, haben wir einen sogenannten Partnerschaftsbaum entwickelt. Das ist ein Plakat, auf dem ein Baum zu sehen ist. In den Wolken, den Blättern und den Früchten können Ziele, Aufgaben oder Aktionen und Ergebnisse eingetragen werden. Das Plakat ist dreisprachig angelegt. Diesen Partnerschaftsbaum können Kitas, aber auch Schulen, einerseits zum Planen verwenden. Dann haben beide Partner eine klare Übersicht, was sie im Laufe des Jahres gemeinsam tun möchten: Was sind die Ziele? Welche Aktionen wollen wir durchführen, um unsere Ziele zu erreichen? Andererseits können sie den Partnerschaftsbaum auch zum Auswerten und Reflektieren nutzen: Welche Früchte haben wir geerntet? Was haben wir erreicht und was nicht – und warum?

Welche Ideen für gemeinsame Aktivitäten und Projekte kannst du uns geben?

Kafalo Sékongo: Projekte gibt es jede Menge. Das hängt allein von der Kreativität der Koordinator:innen ab. Zum Beispiel kann man einen Garten anlegen. Die Kita aus dem Globalen Süden kann Saatgut in den Globalen Norden schicken und umgekehrt. Und dann können die Kinder versuchen, diese anzupflanzen – entweder im Kita-Garten oder in einem Topf. Ich weiß von einem Beispiel, da haben Kinder Erdnüsse ausgesät. Sie haben sich so sehr gefreut, als tatsächlich eine Pflanze daraus gewachsen ist. Mit Blättern und allem. Man denkt vielleicht »Das ist doch eine kleine Sache«. Aber für Kinder ist das eine große Angelegenheit und von echter Bedeutung.

Außerdem können die Kinder Lieder austauschen und sich gegenseitig beibringen, wie man diese singt. Oder sie tauschen gemalte Bilder aus. Es gibt wirklich tausende von Ideen und Möglichkeiten für internationale Kita-Partnerschaften. Zum Beispiel auch tolle Bastelaktionen. In den meisten Ländern des Globalen Südens basteln die Kinder ihre Spielzeuge selbst. Das können sie den Kindern im Globalen Norden zeigen. Ich habe als Kind zum Beispiel fast alle meine Spielzeuge selbst gebastelt und ich habe viel lieber damit gespielt, als mit etwas Gekauftem.

Auch Kleidung ist ein guter Aspekt für einen Austausch: Welche Kleidung hast du? Welche Bedeutung haben sie? Wann ziehst du was an? Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, welche falschen Annahmen es geben kann. Häufig denken Menschen aus dem Globalen Norden, dass es den Kindern aus dem Globalen Süden peinlich oder unangenehm ist, wenn die Kinder aus dem Globalen Norden viel mehr und viel neuere Kleidung haben. Doch das ist gar nicht so. Die Menschen sind stolz auf das, was sie haben, und zeigen das auch. (Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Meine Intension hier, ist es nicht die Armut idealisieren zu wollen, sondern Situationen zu kontextualisieren.)

Ich zum Beispiel bin als Kind immer am liebsten mit meiner löchrigen Hose durch die Savanne gelaufen. Ich habe mich nicht dafür geschämt. Ich habe lieber die alte Hose angezogen, denn damit konnte ich frei sein. Ich konnte mich über den Boden kriechend an Vögel heranschleichen und vieles mehr. Bei neuen Kleidern musste ich immer aufpassen und durfte nichts dreckig machen. Also: Wichtig ist, dass man miteinander spricht und die eigenen Annahmen überprüft.

Was könnten internationale Kita-Partnerschaften in unserer Gesellschaft mittel- bis langfristig bewegen, wenn es sie in großer Anzahl gäbe? Hast du eine Vision, eine Utopie?

Kafalo Sékongo: Wenn wir so früh durch internationale Kita-Partnerschaften anfangen würden, dann wäre das der richtige Ansatz, um gegen Rassismus anzukämpfen und eine gerechtere Welt zu erschaffen. Ich glaube, das können nur die Kinder. Wir Erwachsenen sind schon »formatiert«. Wir können nicht mehr so viel bei uns ändern. Aber bei Kindern kann man sehr viel erreichen. Wenn sie gemeinsam miteinander aufwachsen, dann sehen sie nicht mehr die Unterschiede, die die Erwachsenen sehen. Sie sehen die Gemeinsamkeiten.

Wenn Kinder zusammen gespielt und geträumt und auch geweint haben – denn das kann in einer internationalen Kita-Partnerschaft auch vorkommen –, dann kommen sie sich richtig nahe. Sie werden Freunde, Geschwister und entwickeln eine ganz andere Wertschätzung füreinander, als Menschen, die nie etwas miteinander zu tun hatten. Kita-Partnerschaften sind also der richtige Ansatz, wenn wir eine gerechtere und zukunftsfähige Welt gestalten, sowie gegen Rassismus und andere Diskriminierungsformen kämpfen wollen.

Lieber Kafalo Sékongo, vielen Dank für das Gespräch und dass du dein Wissen und deine Erfahrungen mit uns geteilt hast! Wenn Sie, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen noch Fragen, Ideen oder Hinweise haben, dann schauen Sie doch mal in unser Dossier „Kita-Partnerschaften“, in dem wir viele Beiträge und Tipps zu diesem Thema gesammelt haben – oder schicken Sie uns eine Email an kontakt-at-kita-global.de