Fasching feiern – vorurteilsbewusst und rassismuskritisch

Fasching feiern – vorurteilsbewusst und rassismuskritisch!

Bald ist wieder Februar – und wir wollen Fasching feiern. Manche Kinder wissen ganz genau, wie sie sich verkleiden wollen. Doch oft sind da diskriminierende Stereotype mit im Spiel. Wir geben daher Tipps, wie Sie vorurteilsbewusst und rassismuskritisch Fasching feiern können.

Verkleiden ist für Kinder ein Riesenspaß. Es eröffnet Kindern die Möglichkeit, sich auszuprobieren, in andere Rollen zu schlüpfen und die Welt für ein paar Stunden aus einer anderen Perspektive zu erleben. Was in der Theorie so gut klingt, birgt in der Praxis einige Fallstricke. Denn unsere Welt steckt voller Stereotype und Klischees. Manche davon sind problematisch, denn sie verfestigen rassistische, kulturalisierende oder geschlechtsstereotype Bilder. Bilder, die Kinder verletzen und abwerten können.

Vorurteile bewusst machen

Wir alle haben Vorurteile, Klischees und Stereotype verinnerlicht. Denn wir alle sind in einer Welt aufgewachsen, die Unterschiede zwischen Menschen macht – je nach ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, ihrem Alter, ihren körperlichen Merkmalen und vielem mehr. Vieles davon ist uns nicht bewusst. Das macht die Sache so verzwickt. Denn wir verbreiten und verfestigen oftmals diskriminierende, abwertende und verletzende Botschaften, ohne dass wir es wollen und merken.

Praktisch ist es daher ein lebenslanger Lernweg, immer bewusster und achtsamer mit den eigenen Vorurteilen, Stereotypen und Privilegien umzugehen. Fasching feiern ist ein guter Anlass, um sich, die Eltern und die Kinder zu fragen: Was sagen unsere Verkleidungen eigentlich über die Stereotype in unserer Gesellschaft aus? In welche Rollen drängen sie welche Menschen? Und wie geht es diesen damit? Weil niemand von uns je komplett frei von Vorurteilen sein kann, sprechen wir übrigens auch von »Vorurteilsbewusstsein« und »Rassismuskritik« (und nicht z.B. von »Vorurteilsfreiheit«).

Kinder lernen beim Fasching feiern

»Ist es nicht vielleicht ein bisschen zu früh, um mit Kindern schon in der Kita über Themen wie Rassismus zu sprechen?«, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Nein, im Gegenteil. Denn laut »KiDs aktuell« (1/2016) beginnen Kindern schon mit drei Jahren, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen sich und anderen festzustellen. Sie fangen an, ihre Identität und Zugehörigkeit zu erkunden.

Das geschieht natürlich auch, indem sie auf Dinge achten wie Größe, Hautfarbe, Sprache, Religion, Kultur, Körperform, Geschlecht oder körperliche und geistige Fähigkeiten. Sie versuchen herauszufinden, was »normal« ist. Wer »dazu« gehört und wer nicht. Und was das für sie bedeutet. Das alles lernen sie aus Büchern, Filmen, von der Werbung, den nächsten Bezugspersonen – und auch von den Kostümen, in denen sie Fasching feiern, Theaterstücke aufführen oder einfach so spielen.

Wer bin ich? Wer bist du?

Fasching feiern und sich verkleiden bedeutet für viele Kinder die Freude, in eine ganz andere Rolle schlüpfen zu dürfen. Problematisch wird es, wenn wir den Kindern über die Verkleidung »falsches Wissen über eine ausgedachte Gruppen« nahelegen und ihnen gleichzeitig vermitteln, »dass es in Ordnung sei, sich über andere lustig zu machen«, wie »Kids aktuell« in der bereits zitierten Ausgabe schreibt. Tyrone White ist O’ohe Nuŋpa Lakota, stammt also aus South Dakota, und lebt heute in Deutschland. Er schreibt in einem Beitrag zu seinen Faschingserfahrungen im Rheinland:

»Dank Winnetou und Yakari diene ich also als wandelndes Stereotyp aller über 500 Stämme. Dabei besitze ich nur fünf Adlerfedern. Jede einzelne habe ich bekommen, weil ich sie verdient habe. Leute aus meiner Gemeinschaft haben fünf Mal entschieden, dass ich solch einer Ehrung würdig bin. Die Federn bewahre ich gut auf und würde sie nie auf einer Party anziehen. Wenn ich so weitermache wie bisher, werde ich in meinem Leben wahrscheinlich trotzdem nie genug Federn verdienen, um einen Headdress (Kopfschmuck) tragen zu können. Aber genau das machen die Rheinländer mit künstlichen Federn, ohne den religiösen und kulturellen Hintergrund zu verstehen. Für sie ist das ein lustiger Gag, wenn sie sich ‚verkleiden‘. Ich lache nicht. Es tut mir weh.«

Tyrone White

Rassistische Klischees entlarven

Braun geschminkt mit schwarzer Lockenperücke und Baströckchen und schon ist das Kind als »Afrikaner« verkleidet? Gelb geschminkt mit Kopftuch und Lakenumhang und schon steht die Verkleidung als »die Chinesin«? Derartige Klischees sind, ebenso wie »die Zigeunerin« oder »Aladin«, nicht lustig. Sie vermitteln Kindern, dass es okay ist, rassistische Stereotype aus »Ulk« zu nutzen.

Bevor Sie oder die Eltern also zu Verkleidungsutensilien greifen und Fasching feiern (oder Halloween oder ein Theaterstück aufführen und ähnliche Gelegenheiten), empfiehlt »Kids aktuell« sich folgende Fragen zu den Kostümen zu stellen:

  • Soll dies eine gesellschaftlich diskriminierte Gruppe darstellen?
  • Gehören die Verkleideten der Gruppe selbst an oder nicht?
  • Bedienen die Verkleidungen Stereotype und rassistische Klischees?
  • Wenn ja welche und wie sieht die Welt tatsächlich aus?

Aus Klischees lernen

Wie eingangs gesagt: Wir alle haben Vorurteile. Und so liegt es auch an uns allen, diese wahrzunehmen und abzubauen. Wenn sich ein Kind also für eine Verkleidung als nordamerikanischer Ureinwohnender interessiert, dann ist das ein guter Anlass, um genauer hinzuschauen. Wie sieht die Welt tatsächlich aus? Warum zum Beispiel nicht mal die tatsächliche Geschichte erkunden: Stimmt es, dass Christopher Kolumbus Amerika »entdeckt« hat? Warum gibt es »Die Indianer« (fortan: »I******r«) gar nicht? Welche Volksgruppen gibt es tatsächlich (insgesamt über 500 indigene Stämme alleine in den USA)? Und wie nennen sich die Ureinwohnenden eigentlich selbst (etwa »Native Americans« in den USA, »First Nations« in Kanada oder »Indígenas« in Südamerika)?

Alternativen finden zum Fasching feiern

Nun soll Fasching feiern fröhlich und bunt und lustig werden – und zwar für alle. Deshalb ist es gut, sich im Vorfeld Gedanken zu machen, wie das so gelingt. Um diskriminierende Verkleidungen zu vermeiden, empfiehlt »Kids aktuell« beispielsweise ein Motto für die Verkleidungen vorzugeben wie »Unglaubliche Fabelwesen« oder »Die Tiefsee«. »Warum nicht als Kartoffel gehen anstatt als »I******r« – fragt die Kulturwissenschaftlerin Noa K. Ha in einem lesenswerten ZEIT-Online-Artikel zum Thema »Kostüme sind nicht unschuldig«.

Falls Kinder an einer der gängigen Kostümierungen hängen, könnten Sie gemeinsam Abänderungen überlegen. Machen Sie den Kindern klar, warum das problematisch und für manche Menschen beleidigend und kränkend ist. Außerdem können Sie herausfinden, was für das Kind dahintersteckt: Geht es beim »I******r sein« darum, wild sein zu dürfen? Und in welchen alternativen Verkleidungen könnte das Kind noch Fasching feiern, um das Gleiche auszudrücken?

Um zu verhindern, dass Eltern einfach ein Kostüm im Discounter kaufen (die häufig voller Stereotype sind und auch meist unter ökosozial fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden), könnten Sie die Verkleidungen mit den Kindern zusammen basteln. Außerdem können Sie das Thema beim Elternabend besprechen und so auch die Sensibilität der Eltern wecken.

Linktipps: Zum Weiterlesen


»Schluss mit lustig. Stereotype und ethnisierende Kostüme sind rassistisch«, Noa K. Ha https://www.kulturrat.de/themen/heimat/kulturerbe-fasching-fastnacht-karneval/schluss-mit-lustig/

»Kostüme sind nicht unschuldig«, Interview von Vanessa Vu mit Noa K. Ha, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-02/noa-k-ha-karneval-kolonialismus-interview?

»Ich bin ‚echter‘ Indigener und finde eure ‚Indianer’-Kostüme nicht witzig«, Tyrone White, https://www.vice.com/de/article/zma8ze/liebe-deutsche-indianer-kostume-an-karneval-sind-nicht-lustig

»Fasching vorurteilsbewusst feiern«, kids aktuell 1/2016, https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2016/08/kids-2016-01_fasching.pdf