Erzieher*innen können auch schon mit ganz kleinen Projekten wichtige Grundlagen für die Bildungsbiografie ihrer Kinder legen. Da ist sich die Bildungsreferentin für Globales Lernen Gundula Büker sicher – und hat ein paar Ideen.
Wie sind Sie zu dem Thema „Globales Lernen“ gekommen?
Das war kein ganz gerader Weg. Ich habe ursprünglich Soziologie und praktisches Theater studiert und dann Bildungswissenschaften und Erwachsenenbildung dran gehängt. Danach habe ich 15 Jahre im Ausland gearbeitet, vor allem in der politischen und kreativen Erwachsenenbildung. Ich war erst im europäischen Ausland – in Irland, der Slowakei und in Spanien – und danach in Südafrika und mit meiner Familie in Mali in Westafrika. Anschließend bin ich nach Baden-Württemberg zurückgekommen und habe festgestellt, dass das, was ich im Ausland schon immer als Bildungsarbeit gemacht habe, hier unter dem Stichwort „Globales Lernen“ läuft. Über das Programm „Bildung trifft Entwicklung“ bin ich dann ins Globale Lernen und in die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) gekommen.
Sie arbeiten im Entwicklungspädagogisches Informationszentrum Reutlingen, kurz EPiZ – was ist das?
Das Entwicklungspädagogische Informationszentrum (EPiZ) Reutlingen nennt sich auch das „Haus des globalen Lernens“ in Baden-Württemberg. Das EPiZ hat sich vor 40 Jahren aus einer kleinen Gruppe von Lehrkräften entwickelt, die die entwicklungspolitische Bildungsarbeit gefördert haben. So sind dort verschiedene Projekte und Programme zum Globalen Lernen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Dimensionen entstanden. Das EPiZ ist aber auch bundesweit und international aktiv, vor allem mit dem Fokus auf die schulische und außerschulische Bildungsarbeit. Wir haben eine sehr große Bibliothek mit didaktischen Materialien und engagieren uns bei der Ausbildung von Multiplikator*innen.
Wer kann Mulitplikator*in werden?
Es gibt schulische und außerschulische Multiplikator*innen. Die schulischen Multiplikator*innen sind vor allem Lehrkräfte, Erzieher*innen in Kitas oder Dozent*innen im Hochschulbereich. Die außerschulischen Multiplikator*innen sind Menschen, die sich ehrenamtlich oder hauptberuflich entwicklungspolitisch engagieren. Das können hauptamtliche Referent*innen für Globales Lernen in Nichtregierungsorganisationen sein oder auch ehrenamtliche Bildungsreferent*innen in Weltläden oder ähnlichem. Es sind auch Menschen, die z.B. selbst eine Herkunftsbiografie aus dem Globalen Süden haben, die in der Entwicklungsarbeit tätig waren oder vielleicht ein Weltwärtsjahr gemacht haben und in der Bildungsarbeit tätig werden möchten.
Was ist die Weiterbildung zum Global Facilitator?
Diese Weiterbildung gibt es ab nächstem Jahr wieder, wir bieten entsprechende Weiterbildungen auf Anfrage aber auch jetzt schon an. Bei der Weiterbildung zum Global Facilitator handelt es sich um ein Bildungsangebot, das im Rahmen des internationalen Projekts „Facilitating Global Learning“ entstanden ist. In der Weiterbildung geht es um die Qualifizierung von Multiplikator*innen für Globales Lernen – und zwar in der gesamten Bandbreite von der frühkindlichen Bildung bis hin zu allem, was man sich vorstellen kann. Wir sprechen damit also eine sehr große und heterogene Zielgruppe an.
Das Format des Global Facilitators findet ab nächstem Februar zum vierten Mal statt und wendet sich an Menschen, die sich im Bildungsbereich engagieren und ihre Kompetenzen im Globalen Lernen und der Bildung für nachhaltige Entwicklung erweitern möchten. Dafür gibt es momentan vor allem in der außerschulischen Bildung wenig Gelegenheit. Dabei ist diese Weiterbildung mehr als eine Wochenendausbildung: Es handelt sich um ein Kurskonzept mit vier Modulen, also vier Präsenzphasen während vier Wochenenden, die man auch gut stemmen kann, wenn man unter der Woche einen Job hat.
In diesen Modulen erfahren die Teilnehmenden Methoden und Hintergründe zum Globalen Lernen – angefangen bei den Grundlagen über aktuelle Debatten bis hin zu thematischem Input. Das Ganze ist verknüpft mit Praxis. Und zwar gibt es einmal eine Vertiefungsaufgabe, bei der die Teilnehmenden eine kurze schriftliche Arbeit über Aspekte des Globalen Lernens mit ganz konkretem Bezug zu ihrer Bildungspraxis verfassen. Dann gibt es eine begleitete Praxisphase. Das heißt alle Teilnehmenden führen im Rahmen der Weiterbildung eine Veranstaltung des Globalen Lernens durch. Wir begleiten sie dabei von Beginn bis Ende und geben kollegiales Feedback. Schließlich gibt es noch eine dritte, kleine Phase, in der die Teilnehmenden die Praxisphase mit der Veranstaltung noch einmal größer denken und ein Projekt planen.
Wendet sich die Weiterbildung auch an Erzieher*innen?
Ja, wir hatten immer auch Erzieher*innen mit dabei, sowohl aus der Kita-Praxis als auch aus der Weiterbildung von Multiplikator*innen. Das Gute an dieser Weiterbildung ist, dass die Teilnehmenden aus so vielen verschiedenen Bereichen kommen. Da ist der bereichernde Moment ein ganz großer, weil alle ihre Erfahrungen einbringen und alle davon etwas für sich mitnehmen. Dieser Austausch ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt der Fortbildung. Die letzten Kurse haben gezeigt, dass viele Teilnehmende auch nach Kursende noch miteinander vernetzt sind und es viel Austausch zwischen ihnen gibt. Das ist toll zu sehen.
Was will die Weiterbildung erreichen?
Sie unterstützt zum Beispiel Erzieher*innen dabei, in ihrem Kita- oder auch Bildungsalltag alle Lernprozesse so zu gestalten, dass sie ihre Kinder darin stärken, die Welt gerecht und friedlich zu gestalten. Und zwar immer im Kleinen wie im Großen. Ich glaube in der Kita sieht man ganz gut, mit was für einer Haltung die Menschen kommunizieren, Konflikte austragen und ihren Mikrokosmos gestalten.
Die Weiterbildung zum Global Facilitator hilft dabei, über die eigene Rolle in täglichen Prozessen nachzudenken und sich selbst zu reflektieren: „Wenn ich Gerechtigkeit und Frieden möchte, wenn ich die Umwelt achten möchte, was brauche ich dann für eine Haltung? Was brauche ich dann für Lernprozesse?“ Es geht also darum, sich nicht nur über die Inhalte Gedanken zu machen, sondern auch über die Lernkultur und die Lernumgebung nachzudenken und sich bewusst zu machen, dass sich das, was ich im Kleinen beginne, im Großen fortsetzt.
Haben Sie einen Tipp, wie Erzieher*innen jetzt sofort etwas tun können?
Wichtig ist: Es müssen gar nicht immer super groß aufgehängte Projekte sein. Wenn Erzieher*innen bestimmte Dinge im Alltag umsetzen, die dann – auf einer reflektierenderen Ebene – in der Grundschule, in der weiterführenden Schule oder auch im außerschulischen Kontext wieder auftauchen, dann ist es toll.
Ein solches Themen kann die Ernährung sein. Ganz viele Kitas haben zum Beispiel die Banane als Frucht in ihrem täglichen Programm. Daran kann man toll Prozesse klar machen und zeigen, woher das Essen kommt und wie wir damit umgehen. So können Erzieher*innen die Wertschätzung dafür fördern, dass hinter allem immer viel menschliche Arbeit steht und auch eine funktionierende Umwelt da sein muss.
Ich koordiniere ja auch das Projekt FaireKITA in Baden-Württemberg. Deshalb bin ich oft in Kitas und erlebe wirklich ganz tolle Sachen. Zum Beispiel war ich gerade in einer Kita, die ein Projekt zu Nüssen gemacht haben. Kinder aus der Grundschule kamen in die Kita und haben mit den Kindern dort zusammen Nussmischungen hergestellt. Dabei haben sie sich Gedanken gemacht wie: „Woher kommen die Nüsse? Wie wachsen die eigentlich? Wer erntet sie? Wie werden sie geerntet? Und was brauchen sie, um gut zu wachsen?“
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