Die Forscherstation in Heidelberg bietet berufsbegleitende Fortbildungen und Workshops für pädagogische Fachkräfte in Krippe, Kitas und Grundschulen an. Ihr Ziel: Begeisterung für frühe naturwissenschaftliche Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Wir sprachen mit Ingrid Dreier, die in der Forscherstation die Fortbildung „Mit Kindern die Welt entdecken“ für pädagogische Fachkräfte aus Krippen und Kindergärten leitet.
Welches Ziel verfolgt die Forscherstation?
Viele pädagogische Fachkräfte denken mit Grausen an den Physik- oder Chemie-Unterricht aus ihrer Schulzeit zurück. Daher trauen sie sich nur zögerlich an naturwissenschaftliche Themen in der Kita heran. Deshalb ist es ein Ziel der Forscherstation, den pädagogischen Fachkräften die Scheu oder sogar Angst vor diesen Themen zu nehmen und sie für Naturwissenschaften zu begeistern, damit sie gemeinsam mit Kindern die Welt entdecken können. Ein anderes Ziel besteht darin, die Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte zu stärken, um im Kita-Alltag frühe naturwissenschaftliche Bildung umsetzen zu können.
Das bedeutet unter anderem auch, dass wir den Blick der pädagogischen Fachkräfte schärfen wollen: Mit welchem Thema befasst sich ein Kind? Welchen Interessen geht es nach? Geht es dabei um naturwissenschaftliche Themen? Wie kann ich ein Kind darin unterstützen, sich intensiv mit naturwissenschaftlichen Themen auseinander zu setzen? Pädagogische Fachkräfte können dann Ziele der naturwissenschaftlichen Bildung früher umsetzen. Zum Beispiel, indem sie erkennen lernen, wie und in welchen Kontexten Kinder naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen anwenden. Oder auch wie sie anhand besonders geeigneter Situationen die Kinder gezielt anregen, kompetent begleiten und unterstützen können.
Und natürlich wollen wir dann über die begeisterten und gestärkten pädagogischen Fachkräfte die Kinder erreichen. Sie sollen mit Spaß hinter die Dinge schauen und einen spielerischen und entwicklungsentsprechenden Zugang zur Naturwissenschaft bekommen. Wir wünschen uns wache Kinder, die sich trauen naturwissenschaftliche Phänomen oder andere Sachverhalte zu hinterfragen, Vermutungen zu überprüfen und Zusammenhänge herzustellen. Eine frühe naturwissenschaftliche Bildung ist eine Möglichkeit, um dies zu erreichen:
Welche Farben hat ein Regenbogen? Was passiert, wenn Eiswürfel schmelzen? Welche Lebewesen stecken im Boden? Die Fähigkeit, hinter die Dinge zu schauen und sich allein oder in der Gemeinschaft Herausforderungen zu stellen sowie sich mit komplexen oder fehlerhaften Informationen auseinandersetzen – all das sind Kompetenzen, die Kinder durch die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Themen erlangen. Das sind Kompetenzen, die wir auch im Konzept der BNE-Gestaltungskompetenz wiederfinden. Kompetenzen, die eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und somit zur Gestaltung von Gegenwart und Zukunft beitragen.
Über Ingrid Dreier
Wie gelingt der Forscherstation das? Was bieten Sie an?
Die Forscherstation bietet berufsbegleitende Fortbildungen zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Themen an. Aktuell gibt es sieben unterschiedliche Fortbildungsreihen. Dazu gehört zum Beispiel „Knistern, glühen, kokeln“ in Kooperation mit der Berufsfeuerwehr Heidelberg, „Sonne, Mond und Sterne“ in Kooperation mit dem Haus der Astronomie in Heidelberg, „Auf Entdeckerreise zum Geschichtenschatz“ in Kooperation mit der Stiftung Lesen oder auch „Mit Kindern die Welt entdecken“. Ab März 2019 startet darüber hinaus unsere BNE-Fortbildung „Heute das Morgen gestalten – Nachhaltigkeit in der Kita leben.“
Die Teilnahme an den Fortbildungen ist kostenfrei. Anmelden können sich die pädagogischen Fachkräfte aber nur als Tandem, also immer zu zweit. Insgesamt nehmen pro Weiterbildung acht Tandems teil, sodass die pädagogischen Fachkräfte in diesen kleinen Gruppen intensiv arbeiten können und auch der Austausch untereinander nicht zu kurz kommt.
Jede Fortbildung besteht aus fünf Terminen, die über einen Zeitraum von fünf Monaten verteilt sind. Zwischen den Fortbildungsterminen stellen wir den Teilnehmenden zur Vertiefung Aufgaben für die Praxis. Es gibt genügend Zeit für fachlichen Input, Erarbeitungsphasen in Kleingruppen oder im Plenum, Reflexions- und Vertiefungsphasen. So lernen die pädagogischen Fachkräfte selbst entdeckend didaktische und methodische Umsetzungsmöglichkeiten kennen, die sie problemlos in ihren Kindergarten- und Grundschulalltag übertragen können.
Brauchen die Kitas dafür bestimmte Voraussetzungen?
Nein, wir arbeiten ganz ohne teures, technisches Equipment wie Leuchttische, Kinderlabore und vorgefertigte Experimentierkisten. Stattdessen setzen wir Alltags- oder Recyclingmaterialien ein, die in jeder Kita zu finden sind. Die pädagogischen Fachkräfte aus Kita, Krippe und Hort oder Grundschullehrkräfte erleben in den Weiterbildungen selbst spannende Phänomene der Natur so, wie es auch die Kinder später tun. Ihre Begeisterung können sie so ganz einfach weitergeben.
In unserer Materialbibliothek können sich Pädagog*innen aus Kita und Grundschule übrigens bei der Umsetzung von naturwissenschaftlichen Angeboten auch kostenlos beraten lassen und die passenden Materialien – ebenfalls kostenlos – bis zu zwei Wochen ausleihen. Rund 50 Ideensammlungen zu unterschiedlichen Naturphänomenen haben wir bisher entwickelt und in sogenannten „Forscherkisten“ zusammengestellt. Diese Forscherkisten sind als Ideenkisten zu verstehen und stehen ebenfalls zur kostenlosen Ausleihe bereit.
Zur Qualitätssicherung hat die Forscherstation eine eigene Plakette entwickelt. Diese verleihen wir einmal jährlich an Kitas und Grundschulen, die sich in besonderem Maße im Bereich der frühen naturwissenschaftlichen Bildung engagieren. Rund 660 Forscherstationsplaketten konnten wir bisher an Kindertagesstätten und Grundschulen der Region verleihen.
Haben Sie zum Schluss einen praktischen Tipp für Erzieher*innen?
Ich möchte alle pädagogischen Fachkräfte ermuntern, sich an das Thema „frühe naturwissenschaftliche Bildung“ heranzuwagen. Und das auch ohne zeitlich und räumlich festgelegte Experimentierstunden oder festgelegte Experimentieraufbauten. Es braucht nur Zeit zum Explorieren – und um die Fragen, das Staunen und die Interessen der Kinder aufzugreifen und sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg zu machen und Antworten zu finden. Das geht auch mitten im Kita-Alltag und mit Alltagsmaterialien.
So kann zum Beispiel eine Pfütze der beste Anlass sein, sich mit Schwimmen und Sinken, dem Wasserkreislauf, den Lebewesen in der Pfütze, Wasserfiltern und der Bedeutung von Wasser hier und anderswo zu beschäftigen. Dazu braucht man keine teuren vorgefertigten Experimentierkästen, sondern nur das, was es in der Kita oder im Haushalt gibt. Alte PET-Flaschen, um einen Wasserfilter zu bauen. Korken, Papier, Rinde, um zu ergründen, was sinkt und was schwimmt. Aus den Beobachtungen und Vermutungen entstehen dann wieder neue Fragen und Antworten.
Außerdem möchte ich sie ermutigen genau zu beobachten, mit was sich die Kinder gerade beschäftigen. Erst dann kann man sich fragen, wie man die Kinder darin unterstützen kann, ihren naturwissenschaftlichen Fragen nachzugehen. Die wichtigste Voraussetzung für naturwissenschaftliches Arbeiten in der Kita ist: Die Kinder beobachten, ihre naturwissenschaftlichen Themen und Interessen aufgreifen, geeignete Material bereitstellen und sich viel Zeit nehmen.
Machen Sie sich gemeinsam mit den Kindern auf den spannenden Weg, Phänomene zu erkunden, zu beobachten und zu erleben. Bewahren Sie sich Ihre eigene forschende Haltung!
Übrigens: Die Forscherstation bietet eine Webinar-Reihe zusammen mit der Stiftung Lesen an. Hier ein Video zum Thema Farben.
Und noch ein Video, zum Thema Mathematik.
Über die Forscherstation
Die Forscherstation arbeitet daher wissenschaftlich eng mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zusammen. Alle Angebote der Forscherstation werden fortlaufend evaluiert und wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse fließen direkt in die Weiterentwicklung der Fortbildungen, Workshops, Materialien und Experimentierideen ein. Weitere Informationen finden Sie hier.
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