Weltgarten Witzenhausen: Exkusrion im Dschungel

WeltGarten Witzenhausen: Globales Lernen zum Anfassen

Ein Tropengewächshaus, ein Völkerkundemuseum und ein Weltladen sind die drei idealen Lernorte, um mit Kindern globale Zusammenhänge zu erkunden und zu diskutieren. Ein Interview mit der Ethnologin und Koordinatorin Ursel Kegler über den WeltGarten Witzenhausen.

Frage: Was ist der WeltGarten Witzenhausen und was macht ihn so besonders?

Ursel Kegler: Der WeltGarten Witzenhausen ist ein Bildungszentrum, welches seit mehr als 20 Jahren Bildung für Nachhaltige Entwicklung und Globales Lernen anbietet. Dabei sehen wir Globales Lernen als einen wesentlichen Bestandteil einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung an.

Das Besondere am WeltGarten Witzenhausen ist, dass wir drei verschiedene Lernorte in Fußnähe zueinander haben: Dazu gehört das Tropengewächshaus der Universität Kassel in Witzenhausen (TGH), das Völkerkundliche Museum Witzenhausen und der Weltladen von Witzenhausen. Dahinter stehen als Kooperationspartner der Arbeitskreis Eine Welt e.V., Bildung trifft Entwicklung Göttingen (BtE) – Regionale Bildungsstelle Nord, Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft (DITSL), Tropengewächshaus Witzenhausen, Universität Kassel, Didaktik und Politische Bildung sowie das Zentrum Oekumene/Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Sie alle ermöglichen Veranstaltungen an allen drei Lernorten für Schulklassen und Kindergärten, Fortbildungen für Lehrkräfte oder Erzieher*innen sowie Weiterbildungen für Multiplikator*innen. Darüber hinaus können Multiplikator*innen und Studierende die Lernorte als Plattform nutzen, um neue Bildungsmodule zu entwickeln und zu erproben. Dabei helfen wir auch: Wenn Multiplikator*innen oder Studierende nicht schon selbst eine Testgruppe haben, helfen wir Schulklassen über unsere Kooperationsschulen zu finden, die Interesse an einem Probedurchlauf haben. Außerdem begleiten wir die Erprobungen und unterstützen die Durchführenden fachlich.

Was ist ein Beispiel von einem Angebot, das die drei Lernorte nutzt?

Ursel Kegler: WeltGarten bietet viele unterschiedliche Bildungsmodule zum Globalen Lernen. Wir achten darauf, dass wir an jedem Bildungsort mit allen „Dimensionen der Nachhaltigkeit“ arbeiten. Schön ist immer, an den Alltag der Lernenden anzuknüpfen. Beliebte Themen, die alle Altersgruppen ansprechen, liefern zum Beispiel unsere Nahrungsmittel. Ein Blick in unseren Kühlschrank und wir sehen die Vernetzung mit der Welt.

Zum Beispiel geht es im Tropengewächshaus um Pflanzen wie Kakao für Schokolade, Bananen, Reis, Kaffee oder Tee. Wir schauen uns die Pflanzen als Rohstofflieferanten für Produkte an, die wir alle kennen. Über die Pflanze stellen wir die Verbindung zu soziokulturellen Kontexten her. Wir überlegen, wer die Pflanzen in den Ländern des Globalen Südens anbaut: Wer steht hinter den Produkten? Unter welchen sozialen Bedingungen arbeiten die Menschen? Was für eine Kultur bringen sie mit? Was für eine kulturelle Bedeutung haben die Pflanzen für sie?

Im Völkerkundlichen Museum haben wir Angebote, bei denen wir besonders die soziokulturelle Vielfalt thematisieren. Da versuchen wir mit den Teilnehmenden die Perspektive zu wechseln. Das gelingt etwa mit Planspielen. Oder wir schlagen den Bogen zum Transport – etwa bei Pflanzen und Ernährung: wie kommen die Pflanze hierher? Dabei spielen Themen der Nachhaltigkeit eine Rolle, wie zum Beispiel Energie oder Ressourcenschonung. Und dann sind wir beim Fairen Handel – was ist das eigentlich?

Dazu gibt es im Weltladen spezielle Bildungsmodule. Was bedeutet Fairer Handel? Warum sind die meisten Produkte, die hierher kommen, nicht fair gehandelt? Und was ist der Sinn und Zweck des Fairen Handels? Was verbessert oder verändert er? Darüber kommt man zu Gerechtigkeitsfragen: Was ist eigentlich gerecht? Wer verdient was an einer Schokolade oder einer Banane? Da sehen die Kinder: Das meiste Geld fließt eben nicht zu den Produzenten. Und sie können so eine andere Wertschätzung für die Nahrungsmittel entwicklen.

Und wie ist das mit dem Angebot zu „Buen Vivir“?

Ursel Kegler: Da geht es um das Konzept des „Guten Lebens“, das aus Lateinamerika stammt. Wir fragen zunächst einmal die Schüler*innen, was für sie ein gutes Leben ausmacht. Dann gibt es Informationen zu dem Konzept des „Buen Vivir“ und wie es uns inspirieren kann. Im Anschluss daran machen wir ein Planspiel, bei dem die Teilnehmenden als Vertreter*innen verschiedener Organisationen an einem Tisch zusammenkommen.

Dort verhandeln sie darüber, ob in einem bestimmten Gebiet in Südamerika Erdöl abgebaut werden soll oder nicht. Das schließt sich an die Debatte um den Yasuní Nationalpark an. Dort wird das Erdöl ja leider nun doch gefördert. Aber bei dem Planspiel können die Schulkinder das eben neu verhandeln. Auf diese Weise können die Schüler*innen verschiedene Perspektiven einnehmen und den Sachverhalt von unterschiedlichen Seiten aus beurteilen und darüber diskutieren. Und das ist für die Kinder eine sehr, sehr wertvolle Erfahrung. Wir möchten auch Impulse geben für solidarisches und empathisches Verhalten.

Das Planspiel ist für ältere Schüler*innen. Aber mit den Kleinsten lässt sich hier auch anknüpfen. Mit der Methode „Philosophieren mit Kindern“ lässt sich auch mit Kita-Kindern wunderbar über ein gutes Leben für alle reden. Und das wird zum Beispiel auch Teil der neuen Fortbildungsreihe für pädagogische Fachkräfte.

Das „Kita-Projekt“ ist neu – was genau gibt es hier?

Ursel Kegler: Ja, genau. Wir haben bislang vorwiegend mit Grundschulen gearbeitet. In den letzten zwei bis drei Jahren haben wir immer mehr Anfragen aus Kindertagesstätten bekommen und dazu auch Bildungsveranstaltungen gemacht. Aber wir haben gemerkt, dass wir eigentlich nur ein einziges komplett ausgearbeitetes Bildungsmodul für Kitas haben und dass wir die Angebote für die Kleinsten gerne weiterentwickeln möchten.

Daraus ist die Idee einer Fortbildungsreihe entstanden, die sehr partizipativ gestaltet werden soll. Die Teilnehmenden beschäftigen sich sehr praxisorientiert mit den Inhalten und sogenannten Schlüsselthemen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung und Globalem Lernen. Uns ist dabei die Verknüpfung der Themen mit dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan sehr wichtig.

Für die Praxis setzen die Kitas dann ihre eigenen Schwerpunkte. Wichtig ist, dass die Fortbildung an alltägliche Themen der Kita anknüpft. Und die Kitas entwickeln während der Fortbildung eigene Praxisprojekte und besuchen dabei auch die Bildungsorte des WeltGartens. Idealerweise entstehen dann auch im Rahmen dieser Fortbildungsreihe Impulse für die Weiterentwicklung von Bildungsangeboten für die Zielgruppe „Kitas“. Und die Kitas werden unterstützt, diese doch sehr komplexe Themenvielfalt des Globalen Lernens kindgerecht im Kita-Alltag umzusetzen.

Wieso ist Globales Lernen im Kita-Bereich noch nicht so etabliert wie in der Schule?

Ursel Kegler: Ich vermute, dass das mit dem Leitbild „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ zu tun hat, das nach und nach alle Bildungseinrichtungen erreicht – aber das dauert eben. Für die Schulen gibt es einen sogenannten Orientierungsrahmen für Globale Entwicklung, den die Kultusministerkonferenz herausgeben hat. Er enthält ganz klare Beispiele für die Unterrichtsgestaltung. Das heißt, ein Plan für die Schulen ist schon da. Doch für die Kindertagesstätten gibt es so etwas in dieser Form meines Wissens noch nicht.

Allerdings merken wir, dass immer mehr Kitas auf uns zukommen und dass das Interesse an Globalem Lernen als Teil einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung auf jeden Fall steigt – auch wenn das nur ein Baustein von vielen in der frühkindlichen Bildung ist.

Warum ist Globales Lernen in der Kita wichtig?

Ursel Kegler: Einmal, damit die Erzieher*innen das Handwerkzeug für diese komplexe Thematik bekommen, sodass sie Globale Themen auf Kinderniveau herunterbrechen können und diese kindgerecht erarbeiten können. Und dann ist es wichtig, dass Kinder eine Orientierung finden in dieser komplexen Welt mit ihren großen Herausforderungen. Im Globalen Lernen möchten wir Kinder in ihrer Persönlichkeit stärken, damit sie die Welt verstehen und trotz all ihrer Komplexität gut klar kommen. Wir wünschen uns für die Kinder, dass sie in einem Umfeld aufwachsen, in dem sie eine solidarische Haltung entwickeln und globale Zusammenhänge verstehen können. Das kindgerecht rüberzubringen ist ja nicht einfach.

Umso wichtiger ist es, dass damit schon in der frühkindlichen Bildung begonnen wird. Und dass wir schon früh zusammen mit den Kindern schauen, wie wir mit der ganzen Welt vernetzt sind. Jedes Kind ist einzigartig und hat die Fähigkeit, die Welt mitzugestalten. Dies zu fördern, ist auch ein wesentlicher Teil des Globalen Lernens. Da gibt es viele Anknüpfungspunkte, die täglich im Kindergarten zu finden sind. Und Kinder stellen schon sehr früh tolle Fragen. Diese können Erzieher*innen aufgreifen und für Globales Lernen nutzen. Und was wir erreichen möchten? Ich persönlich sage immer gerne: starke und selbstbewusste Kinder für eine zukunftsfähige Welt!

myWeGa – Kitas lernen Global!

WeltGarten Witzenhausen bietet ab 2. November 2018 eine Seminarreihe für pädagogische Fachkräfte und ehrenamtlich Tätige in den Kitas. Alle zwei Monate findet dann von 9:00 –17:00 Uhr einer von vier weiteren Seminartagen statt. Die Fortbildung besteht aus drei Phasen:

Auftaktworkshop: Einführende Impulse zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Globalem Lernen (GL) und den Grundlagen und Prinzipien des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans (BEP) sowie Abstimmung der thematischen Schwerpunkte für die weiteren Seminare (1 Tag)

Seminare und Praxisprojekt: Impulse aus Theorie und Praxis, Erproben von Materialien, Lehrwerkstätten, fachlichem Austausch und Reflexion des eigenen pädagogischen Handelns mit Fachreferent*innen und pädagogischer Begleitung (4 Tage). Entwicklung und Durchführung von Praxisprojekten in den Kitas inklusive einer Exkursion an einen Bildungsort des WeltGarten (Tropengewächshaus, Völkerkundliches Museum, Weltladen Witzenhausen).

Transfer und Abschluss: Dokumentation der Praxisprojekte, Abschlussfest mit Vorstellung der Praxisprojekte freiwilliges

Zusätzliches optionales Angebot: Teaminterner Inhouse-Tag zum Transfer der Fortbildungsinhalte in das Gesamtteam der Kitas.