Philosophieren mit Kindern ist eine tolle Methode für Erzieher*innen, um Kinder zu eigenständigen Gedankengängen über wichtige Themen anzuregen. Doreen Thieke vom Weltladen Marburg gibt Tipps.
Ein Beitrag von Doreen Thieke
Kinder sind von Natur aus kleine Philosoph*innen, denn sie hinterfragen vieles, was wir Erwachsenen schon lange als einfach gegeben hinnehmen oder worüber wir nicht länger nachdenken: „Was macht ein gutes Leben aus?“ zum Beispiel. Oder auch: „Was ist Glück?“. Angesichts der ökologischen und sozialen Herausforderungen, denen wir uns gegenüber gestellt sehen – und mehr noch unsere Kinder –, sind dies jedoch Fragen von entscheidender Bedeutung.
Deshalb bietet der Weltaden Marburg bereits seit vielen Jahren Weiterbildungen für Erzieher*innen und Mulitplikator*innen an, durch die diese ihre eigene Haltung hinterfragen und neue Möglichkeiten entdecken können, wie sie solche Themen mit ihren Kindern im KITA-Alltag bearbeiten können. Das Philosophieren mit Kindern ist eine solche Möglichkeit.
Was ist Philosophieren mit Kindern?
Philosophieren mit Kindern bedeutet, dass Erzieher*innen Fragen aus der Lebenswelt der Kinder aufgreifen und daraus ein gemeinsames Nachdenkgespräch entwickeln. Wichtig ist dabei, dass sie dieses Gespräch vor allem durch gute Fragen lenken und weiter entwickeln – aber nicht selbst die Antworten vorgeben oder gar die Antworten der Kinder bewerten oder kommentieren.
Viele Erzieher*innen arbeiten ohnehin schon oft mit Fragen. Doch wer sich mit der Methode des Philosophierens mit Kindern noch einmal gezielt auseinandersetzt, kann einem solchen Denkkreis noch einen klareren roten Faden geben und auch sich selbst hinterfragen. Denn oft ist es zwar leicht, mit einer Frage zu starten. Doch es ist nicht so einfach, diese Haltung auch durchzuhalten und tatsächlich nichts vorzugeben.
Das erfordert auf Seiten der Erzieher*innen Bewusstsein in Bezug auf die eigene Haltung und auch Selbstreflexion. Sie müssen es zum Beispiel auch aushalten können, dass Kinder unterschiedlicher Meinung sind – der oder die Eine braucht beispielsweise mehr oder andere Dinge, um glücklich zu sein, als der oder die Andere.
„Philosophie heißt: Auf dem Wege sein. Ihre Fragen sind wesentlicher als ihre Antworten, und jede Antwort wird zur neuen Frage.“
Karl Jaspers
Wie philosophiere ich mit Kindern?
Im Internet gibt es jede Menge Informationsmaterial zu diesem Thema. Besonders empfehlen können wir die Broschüre mit DVD „Ins Philosophieren hinein: Mit Kindern zu Nachhaltigkeitsfragen ins Gespräch kommen“ von Leuchtpol. Auf der DVD kann man sich einige Beispiele philosophischer Gespräche von und mit Kindern ansehen. Die Broschüre gibt zusätzlich Informationen und Tipps.
Außerdem widmen wir uns diesem Thema auch im Rahmen unseres Workshops „Viel Glück und ein gutes Leben?! Philosophieren mit Kindern Freitag“, der in Zusammenarbeit mit KITA-GLOBAL.de am 6. Oktober 2017 in der Naturschutz-Akademie Hessen (NAH) in Wetzlar stattfindet.
Für den Schnelleinstieg können wir darüber hinaus folgende Tipps für das Philosophieren mit Kindern geben:
1. Die Vorbereitung
Zur Vorbereitung sollten sich Erzieher*innen ein Thema und eine Frage überlegen. Gut ist es, für den Einstieg einen Anlass zu schaffen:
- Bilder, die zum Beispiel Dinge wie Teilen oder Glück thematisieren.
- ein Bild, das zum Nachdenken anregt.
- eine Galerie mit Fotos von Menschen aus verschiedenen Teilen der Erde, die unterschiedlich viel besitzen oder ganz unterschiedlich leben und wohnen.
- ein Glückstisch, auf dem die Kinder zusammentragen, was sie brauchen, um glücklich zu sein.
Natürlich kann man sich im Vorfeld auch schon überlegen, welche Themenbereiche man im Verlauf des philosophischen Gesprächs mit den Kindern berühren wird. Aber grundsätzlich sollte man das Gespräch nicht in eine bestimmte Richtung bringen wollen, sondern vielmehr offen sein für das, was von den Kindern kommt.
2. Das philosophische Gespräch durchführen
Eine philosophische Nachdenkrunde mit Kindern dauert meistens nicht länger als 30 Minuten. Oft ist dann eine Frage oder ein Thema nicht abschließend behandelt. Doch das macht nichts: Die Kinder können es in einer nächsten Gesprächsrunde wieder aufgreifen oder im KITA-Alltag an verschiedene Aussagen von Kindern anknüpfen und die Gedanken weiterführen.
Wichtig ist, dass die Erzieher*innen während des Gesprächs wertschätzend mit den Kindern umgehen. Sie sollten mit guten Fragen dafür sorgen, dass die Kinder möglichst viele eigenständige Ideen und Gedanken entwickeln können. Deshalb sollten sie die Aussagen der Kinder natürlich auch nicht bewerten oder moralisieren.
Materialien zum Philosophieren mit Kindern
Mit den Kleinen Großes denken. Mit Kindern über Nachhaltigkeitsfragen philosophieren – Ein Handbuch
4. Philosophier-Regeln beachten
In der Praxis haben sich laut Leuchtpol die folgenden 10 Kriterien als sinnvoll und unterstützend herausgestellt:
- Fragen stellen, die zur Sache führen
- Vermutungen äußern, die eine Erklärung liefern
- Eine Meinung nicht ohne Begründung vortragen
- Beispiele und Gegenbeispiele liefern
- Angemessene Analogien bilden (und erläutern!)
- Ideen aufgreifen, die andere vorgetragen haben
- Die „andere Seite“ anhören
- Vernünftige Kritik annehmen
- Andere Teilnehmer*innen mit Respekt und Achtung behandeln
- Urteile fällen, die den Ansprüchen von Verstand und Vernunft gerecht zu werden versuchen
Dann können sich wirklich spannende Gespräche mit Kindern ergeben. In der Fortbildung mit Erzieher*innen zeigen wir zum Beispiel einen Film, der ein philosophisches Gespräch mit Kindern zum Thema Teilen zeigt. Die Kinder sehen sich dazu ein Bild an mit einer Reihe von Keksen und möglichen Empfänger*innen der Kekse.
Sie werden aufgefordert, diese gerecht zu verteilen. Dabei zeigt sich zum Beispiel, dass einige Kinder diese „nur“ unter den Menschen aufteilen. Andere beziehen auch die Tiere mit ein, die im Film vorkommen – jedoch nicht den Bären, denn der hat bereits einen Fisch in seiner Pfote. Oder das kleine Menschen oder Tiere sich einen Keks teilen sollen, während große Menschen oder Tiere einen ganzen Keks brauchen.
Wichtig ist, dass es zu keinem einheitlichen Ergebnis kommen muss. Es ist okay, wenn das eine Kind die Kekse unter Menschen aufteilt und das andere unter Menschen und Tieren. Beide Sichtweisen sind legitim und es geht nicht darum, das eine oder andere zu verurteilen oder als lächerlich zu befinden. Die Kinder lernen so, andere mit anderen Sichtweisen zu respektieren.
3. Philosophische Runden reflektieren
Es ist sinnvoll, dass Erzieher*innen eine philosophische Runde mit den Kindern im Nachklang reflektieren. Dabei können die oben genannten 10 Kriterien helfen. Mögliche Fragen sind:
- Sind die zehn Kriterien vorgekommen – wo und wie genau?
- Welche fehlten? Gibt es dafür eine Erklärung?
- Wo hätte man die Kriterien noch besser berücksichtigen können?
- Welche Schwierigkeiten innerhalb oder außerhalb der Gruppe sind sonst noch aufgetreten und wie könnten sich diese beheben lassen?
- Mit welchen (einfachen) Mitteln könnte man eine noch bessere Gesprächskultur etablieren?
Wichtig bei dieser Reflexion ist, dass sich Erzieher*innen auch ihrer eigenen „Brille“ bewusst sind. Hilfreich kann es sein, das Philosophieren mit Kindern deshalb gemeinsam mit anderen Erzieher*innen durchzuführen und sich hinterher gegenseitig Feedback zu geben.
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