Konflikte und Gewalt beschäftigen Kinder nicht nur, weil sie über die Medien von Krieg, Vertreibung und Flucht erfahren. Die Friedenspädagogik ist auch für den Alltag in der Kita von großer Bedeutung: Sie zeigt, wie Kinder konstruktiv mit Konflikten umgehen können. Ein Interview mit der Friedenspädagogin Julia Oschinski.
Julia Oschinski arbeitet als Projektassistenz im Programm Friedenspädagogik und Globales Lernen der Berghof Foundation. Sie hat einen Master in Sozialwissenschaftlicher Konfliktforschung und ist in unterschiedlichen friedenspädagogischen Projekten tätig: In der Servicestelle Friedensbildung, die gemeinsam mit der LpB die Friedensbildung an Schulen in Baden-Württemberg fördert; in der Redaktion von Heft Global Lernen, herausgegeben mit Brot für die Welt; und im Projekt frieden-fragen.de, das Kinderfragen zu Krieg, Terrorismus, Flucht, Gewalt, Frieden, Leben in Vielfalt und vieles weitere kindgerecht beantwortet.
Was ist Friedenspädagogik?
Julia Oschinski: Friedenspädagogik ist ein Dreiklang von Friedenskompetenz, Friedensfähigkeit und Friedenshandeln. Für Friedenskompetenz brauchen Kinder und Jugendliche Sachwissen aus der Friedens- und Konfliktforschung, das altersgerecht aufbereitet ist.
Friedensfähigkeit bedeutet, dass Kinder konstruktiv mit Konflikten umgehen können. Konflikte sind im sozialen Miteinander normal und können eine Chance sein, positive Veränderungen zu bewirken. Das gelingt jedoch nur, wenn wir sie ohne Gewalt austragen.
Friedenshandeln umfasst das eigene Tun und die eigene Haltung. Es geht dabei auch darum, sich selbstwirksam zu fühlen. Friedenshandeln bezieht sich damit vor allem auf den persönlichen Nahbereich, in dem man immer auch schon einen Beitrag zu Frieden leisten kann.
Wie können Erzieher*innen sie in der Kita umsetzen?
Julia Oschinski: Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und friedenspädagogische Ansätze. Da Konflikte auch hier an der Tagesordnung sind, können Erzieher*innen mit den Kindern zum Beispiel üben, wie sie damit konstruktiv umgehen können – etwa das Gespräch suchen und den gewaltfreien Umgang der Kinder untereinander fördern.
Gleichzeitig können die Pädagog*innen ihre persönliche Haltung im Alltag reflektieren: Wie muss ihre Arbeit ausgelegt sein, um als Arbeit am Frieden verstanden zu werden? Wie gehen sie mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen um? Wie gehen die Erzieher*innen in der Kita gemeinsam bei Konflikten auf verschiedenen Ebenen vor?
Die eigene friedenspädagogische Haltung entwickelt sich – wie Frieden selbst – in einem langwährenden Prozess. An ihr kann und muss jede*r immer arbeiten. Seit vielen Jahren gibt es beispielsweise Fachschulen, die ein friedenspädagogisches Profil in ihrer Ausbildung anbieten und den Blick und die Herangehensweisen ihrer Studierenden schon früh schulen.
Welche Bedeutung hat Friedenspädagogik in unserer Welt?
Julia Oschinski: In meiner täglichen Arbeit bemerke ich, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene verstärkt Angst vor Krieg haben. Sie fühlen Ohnmacht und Resignation angesichts all der schrecklichen Ereignisse weltweit. Oft versagen dabei auch die klassischen Bildungssysteme und -strukturen. Sie können gerade junge Menschen nicht mehr dazu animieren, ihrem Optimismus und Werten wie Nächstenliebe zu folgen und zu erkennen, dass sie selbst einen Beitrag zu einer friedvolleren Welt leisten können.
Das Ziel der friedenspädagogischen Arbeit ist es, Menschen dabei zu unterstützen, sich mit Krieg und Gewalt kritisch auseinanderzusetzen. Außerdem will sie helfen, Wege zum Frieden zu erarbeiten, die die Menschen – angefangen in ihrem persönlichen Umfeld – umsetzen können.
Lange Zeit herrschte die Vorstellung: Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten (si vis pacem, para bellum). Das schimmert bis heute durch. Heutige Ansätze verfolgen jedoch die gegenteilige Ansicht: Wer den Frieden will, muss die gesellschaftlichen Voraussetzungen ändern, die bisher zum Krieg geführt haben. In der Erziehung unserer Kinder und der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen legen wir Grundsteine für ein solches Verständnis. Friedenspädagogik hat damit eine hohe Relevanz vor Ort und weltweit.
Welche konkreten Tipps haben Sie für Erzieher*innen, um sich mit schwierigen Themen wie Krieg, Flucht, Gewalt und Konflikte auseinanderzusetzen?
Julia Oschinski: Viele Pädagog*innen und Erzieher*innen melden uns zurück, dass sie selbst teilweise überfordert sind. Sie können all die schrecklichen Nachrichten und Ereignissen kaum einordnen. Eltern wollen ihre Kinder oft davor schützen, doch das ist kaum möglich. Kinder bekommen vieles mit. Um ihnen ihre Angst zu nehmen hilft es, altersgerechte Informationen zu geben und aufzuklären anstatt sie im Ungewissen zu lassen.
Erzieher*innen können dabei nicht immer für alles gewappnet sein. Aber es hilft, sensibel für aktuelle Themen zu sein, um Gespräche mit Kindern zu führen. Dabei ist es wichtig, sich selbst vielseitig zu informieren und Ereignisse auch aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Hier hilft auch unsere Website weiter: frieden-fragen.de zeigt, wie man diese Themen behutsam auch im pädagogischen Alltag beleuchten kann und bietet in einem eigenen Erwachsenenbereich Material, Methoden und Medien zu unterschiedlichen Themen auf einen Blick.
Es ist anscheinend so, dass in vielen Ländern der Welt die Körperstrafe (Prügelstrafe) in der Kindererziehung noch nicht verboten ist (siehe die Webseite der White Hand Kampagne). Insoferne müsste man im Gespräch mit Eltern aus jenen Ländern, wo das der Fall ist, darauf hinweisen, dass es bei uns verboten ist. Denn die Gewaltfreiheit muss wohl auch in den Familien beginnen (Franz Jedlicka).
LG Lena