Chancengleichheit und Gerechtigkeit sind nicht nur im globalen Kontext wichtig. Auch für die frühkindliche Bildung in Deutschland ist es immer noch ein Ideal, das wir längst nicht erreicht haben. Deshalb hat sich das Netzwerk Chancen gegründet und ein Chancen Lab veranstaltet.
Was ist das Netzwerk Chancen?
Natalya Nepomnyashcha ist die Gründerin des Netzwerk Chancen. Sie weiß aus eigener Erfahrung, was Studien schon seit Jahren an Deutschlands Bildungssystem monieren: Die Chancen von Kindern hängen stark von ihren Wurzeln ab. Das ist ungerecht – findet nicht nur Nepomnyashcha. Deshalb hat sie das Netzwerk Chancen zusammen mit anderen gegründet.
Das Netzwerk will eine gemeinnützige und überparteiliche Dialogplattform sein, die zivilgesellschaftliche Organisationen, Politiker, Beamte, Eltern, Wissenschaftler und Kinder zusammenbringt. Gemeinsam mit ihnen wollen sie nachhaltige Lösungen für gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen entwickeln. Gleichzeitig will das Netzwerk mit seinen Veranstaltungen auch Kooperationen und neue Projekte in der Zivilgesellschaft anstoßen.
Das Chancen Lab frühkindliche Bildung
Die ersten drei Monate diesen Jahres beschäftigte sich das Netzwerk Chancen mit der frühkindlichen Bildung – gemeinsam mit der Stiftung Haus der kleinen Forscher, dem AWO Bundesverband, dem Deutschen Kinderhilfswerk, Librileo gemeinnützig, der Landesarmutskonferenz sowie der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege.
Heraus kam dabei ein Katalog an Forderungen:
Ein Bundesqualitätsgesetz
Ein bundesweit einheitlicher Qualitätsstandard ist laut Netzwerk Chancen wichtig, um die Qualität und strukturellen Rahmenbedingungen in den Kitas auf ein Niveau zu bringen. Die eklatanten Unterschiede bei den Betreuungsschlüsseln in Kitas seien nur eines von vielen Beispielen, die den Handlungsbedarf verdeutlichen, so das Netzwerk.
Es sei Aufgabe der Politik, hier einheitliche strukturelle Standards zu schaffen und die dazu notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dazu gehörten auch einheitliche Standards bei der Freistellung von Kita-Leitungskräften. Dennoch sollte die pädagogische Arbeit in den Kitas nicht zu stark standardisiert werden – Pluralität müsse hier weiterhin ein hohes Gut bleiben.
Die Ausbildung und Qualifizierung
Es kommt jedoch nicht nur auf zählbare Aspekte an, wie etwa der Betreuungsschlüssel, so das Netzwerk Chancen. Auch die Qualität der Interaktion zwischen Erzieher*innen und Kindern sei wichtig. Dabei müssten die Erzieher*innen und Pädagogen*innen notwendige Ressourcen und eine fortlaufende Qualifizierung erhalten – nicht zuletzt auch, um das Berufsbild der Erzieher*in attraktiver zu machen. Den steigenden Akademikeranteil im Erziehungsberuf begrüßt das Netzwerk Chancen. Wichtig sei jedoch auch ein hohes Maß an Praxiserfahrung.
Kita-Gebühren abschaffen
Das Netzwerk Chancen fordert die bundesweite Abschaffung von Kita-Gebühren. In Deutschland gibt laut Netzwerk Kommunen, in denen die Eltern mit einem Jahreseinkommen von knapp über 30.000 Euro bereits den Höchstbeitrag zahlen müssten. Dies könne vor allem für Menschen mit mittlerem Einkommen sogar ein Grund sein, um überhaupt keine Kinder zu kriegen, meint das Netzwerk Chancen.
Eine Kindergrundsicherung
Ein Teil der Diskussionsrunde des Chancen Labs fordert außerdem eine Kindergrundsicherung, um Kinderarmut vorzubeugen – denn materielle Sicherheit sei die Grundlage für Bildungserfolg. Die Kindergrundsicherung könnte eine Alternative zu vielen Förderleistungen für Familien und Kinder sein, so das Netzwerk. Es kann sich zum Beispiel eine durch die Finanzämter erbrachte Leistung vorstellen. Diese soll nicht pauschal, sondern nach Bedürftigkeit bemessen sein.
Die Arbeit mit den Eltern
Das Netzwerk Chancen hält es für wichtig, den Lernort Familie zu stärken. Allen Eltern müsse das notwendige Wissen darüber zur Verfügung gestellt werden, wie sie ihren Kindern am besten helfen können. „Um Basiskompetenzen bei Kindern zu stärken, muss man Eltern stärker einbinden und teils auch bei ihnen diese Kompetenzen stärken. Um all dies zu gewährleisten, muss die mittelbare Arbeit mit den Eltern ein elementarer Bestandteil der Arbeit von Pädagogen sein. Im Moment ist dies allerdings nicht Teil der pädagogischen bzw. erzieherischen Ausbildung“, so das Netzwerk in seinem Abschlussbericht zum Chancen Lab.
Fazit
Grundsätzlich bringt uns kein Sparkurs zu einem fairen und gerechten Bildungssystem. „Gerade angesichts der Tatsache, dass Studien zufolge die Renditen von Investitionen in der frühkindlichen Bildung sehr hoch sind“, meint das Netzwerk Chancen. Schließlich könnte man durch Investitionen in diesem Bereich in vielen Fällen verhindern, dass der Staat zu einem späteren Zeitpunkt in der Biographie von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen intervenieren und kostspielige Leistungen erbringen müsse, so das Netzwerk.
Die Ergebnisse des Chancen Labs zeigen: Gerechtigkeit ist nicht nur eine globale Angelegenheit. Wir alle haben es in der Hand, uns für eine frühkindliche Erziehung einzusetzen, die die Talente und Chancen aller Kinder fördert – egal wo sie geboren wurden.
Mitmachen
Bildquelle: Das Bild oben stammt von einem Vernetzungstreffen des Netzwerk Chancen mit dem Motto „Kooperation – Voneinander lernen“ am 9. Februar 2017. Das Bild unten vom Netzwerk Chancen.
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