Wie sieht der Alltag in einer Kita in anderen Ländern oder gar Kontinenten aus? Welchen Herausforderungen stehen die Erzieher*innen gegenüber? Welche Sichtweisen, Erfahrungen und Visionen haben sie? In unserer Serie sprechen wir mit Erzieher*innen aus aller Welt.
Die 35-jährige Gloria Muñoz aus Concepción in Chile berichtet
Auch Ideen?
Wie sieht Ihre Kindertagesstätte aus?
Der Kindergarten, in dem ich arbeite, heißt „Eduplay“ und ist Teil einer Schule für Sprachförderung. Ich habe dort die Kindergartenleitung. Wir sind ein Kindergarten in privater Trägerschaft, der vom Staat finanziert wird und vom Bildungsministerium anerkannt ist. Dadurch müssen die Eltern keinen monatlichen Beitrag zahlen. Sie gehören meist zur Mittelschicht, da sich unsere Kindertagesstätte mitten im Zentrum von Concepción befindet.
Vormittags bin ich für die dreijährigen Kinder zuständig, es sind etwa 15 Jungen und Mädchen. Nachmittags bin ich bei den Vierjährigen – etwa neun Kinder. Ich bin zwar als einzige Erzieherin für die Gruppen zuständig, habe jedoch eine pädagogische Assistentin, die mich unterstützt. Morgens fange ich um 8:30 Uhr an. Um 12:45 Uhr habe ich eine Stunde Mittagspause. Danach arbeite ich bis 17:45 Uhr.
Wie sieht der Alltag in Ihrer Kita aus? Welche Abläufe gibt es?
Wir haben zwei Schichten: Vormittags kommt die eine Gruppe von Kindern und nachmittags die andere. Kein Kind bleibt vormittags und nachmittags bei uns .
Vormittags kommen die Kinder zwischen 08:30 und 09:15 Uhr. Die Kinder am Nachmittag kommen zwischen 13:45 und 14:30 Uhr. Wenn alle da sind, fangen wir gemeinsam mit einer Begrüßung an. Montags gibt es danach einen Gesprächskreis, indem wir darüber sprechen, wie die Kinder ihr Wochenende verbracht haben.
Ähnlich ist es am Freitag: Dann erzählen die Kinder, was sie am Wochenende unternehmen wollen. Im Tagesablauf ist die freie Spielzeit auf dem Pausenhof fest verankert. Das sind Pausen von 15 Minuten, nur in der Mittagszeit haben wir eine längere Pause von einer Dreiviertelstunde. Wenn wir uns im Gruppenraum befinden, leiten wir die unterschiedlichen Aktivitäten, die wir im Vorfeld geplant haben. Die Kinder sitzen dann zu jeweils sechst an großen Tischen.
Gibt es eine Konzeption in Ihrer Kita? Welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig?
Da der Kindergarten Teil einer Schule für Sprachförderung ist, liegt hier natürlich der Schwerpunkt unserer pädagogischen Arbeit. In Chile fängt das Kindergartenjahr im März an, da sich bei uns die langen Sommerferien an die Weihnachtsferien anschließen. In dieser Zeit arbeiten wir an den pädagogischen Plänen für jedes einzelne Kind.
Wir konzentrieren uns dabei auf ihre Bedürfnisse. Dazu stimmen wir Erzieherinnen uns mit der Sprachtherapeutin ab. Am Freitag erhalten die Kinder Hausaufgaben, die sie über das Wochenende erledigen. Am Montag sammeln wir diese ein.
So arbeiten wir zusammen mit der Familie an der Förderung der Kinder. Die Eltern oder Erziehungsberechtigten helfen den Kindern beim Lernprozess, den wir im Kindergarten angestoßen haben. Dadurch wird auch die Eltern-Kind-Beziehung enger.
Was möchten Sie persönlich den Kindern weitergeben?
Für mich ist das wichtigste, dass sich die Kinder entsprechend ihrem Alter und nach ihren Möglichkeiten optimal mitteilen können. Außerdem finde ich eine Förderung der unterschiedlichen Lernbereiche sehr wichtig und die Beziehung, die sie mit ihren Eltern haben.
Wie ist Ihre Beziehung zu den Eltern der Kinder?
Meine Kolleg*innen und ich haben einen sehr engen Kontakt zu den Eltern. Wir tauschen uns jeden Tag über die neuen Lernfortschritte ihrer Kinder und über ihre Erlebnisse im Alltag aus. Insgesamt sind die Eltern sehr streng, wenn es um die pädagogischen Fortschritte ihrer Kinder geht.
Alle drei Monate verlangen sie einen Bericht über ihre Kinder, der die Ergebnisse unserer Bildungsarbeit dokumentiert. Zudem gibt es Einzeltermine mit uns Erzieherinnen und der Sprachtherapeutin, damit die Eltern Techniken für eine bessere Sprachentwicklung der Kinder lernen können. Für Eltern sind die Hausaufgaben am Freitag sehr wichtig, sie fordern diese regelrecht.
Gibt es Kinder unterschiedlicher Religionen oder Konfessionen in Ihrer Kita?
Wir setzen in unserer pädagogischen Arbeit keinen Schwerpunkt auf religiöse Bildung, weil wir keine religiöse Einrichtung sind. Die Vielfalt der Kulturen behandeln wir als Projekt immer im September. Da ist Chiles Unabhängigkeitstag – deshalb heißt der September bei uns „Vaterlandsmonat“.
In diesem Zusammenhang zeigen wir den Kindern Bilder, Videos und Gegenstände der unterschiedlichen Kulturen Chiles. Und die Kinder bringen auch Anschauungsmaterial aus ihrem Kontext mit und zeigen es allen anderen.
Was für eine Ausbildung haben Sie?
Ich habe fünf Jahre an der Universität „Frühe Bildung“ studiert. Nach dem Abschluss habe ich drei weitere Jahren Förderpädagogik studiert und dabei den Schwerpunkt der Sprachförderung gewählt. Ich liebe es mich fortzubilden! Am liebsten würde ich einen Master in Erziehungswissenschaft absolvieren.
Wird der Beruf der Erzieherin / des Erziehers in Chile geschätzt?
Insgesamt nehmen die Eltern unsere Expertise sehr ernst und haben dadurch auch sehr hohe Ansprüche an unsere Arbeit. Das ist für uns herausfordernd! Es ist nur ein so schlecht bezahlter Beruf. Erzieher*innen ohne eine zusätzliche Fachqualifikation, wie zum Beispiel bei mir die Sprachförderung, erhalten die niedrigsten Löhne.
Dabei haben sie so eine große Verantwortung: Sie werden ausgebildet, um Kinder ab dem dritten Monat und bis zum sechsten Lebensjahr zu betreuen. Außerdem erfordert der Beruf viel Engagement, denn es ist keine Zeit für die Vorbereitung unserer Bildungsarbeit eingeplant. Diese soll Zuhause geschehen, zählt also zu unserer Freizeit!
Durch die niedrigen Löhne haben aber viele Erzieher*innen noch weitere Jobs – sonst könnten sie ihre Familie nicht versorgen. Darunter leidet ganz klar die Qualität der Arbeit.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Beruf?
Ich liebe meine Arbeit – es ist ein sehr schöner Beruf! Nur ist er in Chile leider äußerst schlecht bezahlt. Ähnlich niedrig sind die Löhne der Schullehrer*innen.